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St. Spiritus

■ Fotoausstellung von Werner Pawlok im Forum Böttcherstraße eröffnet / Mette als Instant-Maler, Franke a.D. als Verscherbler

Um den Stuttgarter Fotografen Werner Pawlok (37) balgen sich die schicksten Magazine mit den kreativsten Werbeagenturen. Das dankt Pawlow vor allem einer Masche, einem running gag, einer echt scharfen Laufmasche quasi. Er liebt es, seine szenischen stylings, arrangiert aus schönen Frauen und unglaublich bedeutsamem Licht, mit einer riesenhaften Polaroid-Kamera zu fotografieren.

Am Donnerstag bei der Eröffnung der Pawlok-Ausstellung stand das dinosaurische Großformat inmitten von Leutegewimmel im Forum Böttcherstraße. Sonst, auf Arbeit, liefert es Bilder von 50 x 60 Zentimetern. Und Pawlok nimmt die nasse, die hauchdünne Negativ-Folie und transferiert sie per chemischer Trickserei auf Aquarell- oder Büttenpapier.

Das gibt, von wegen traumschöne Models und so, dann regelrecht ein Bild von einem Bild. Aber es geht nicht, ohne daß, fleckenweise, das Makellose beschädigt und verletzt wird. Diese Flecken, wo das Stoffliche, die Chemie sich vordrängt, sind des Künstlers Markenzeichen. Hier liegt er sozusagen begraben, der Pawlok'sche Hund. (In der Textilbranche würde er, nur zum Beispiel, serienmäßig Löcher in Designer-Jeans reißen).

Gegen die Kamera trat im Forum der bekannte Karikaturist Til Mette an. Er schuf, in 29 Minuten und 50 Sekunden, von Hand ein abendfüllendes Instant-Gemälde der Goya-Nachfolge (“Helnwein in Bremen“) aus Witz und Capriccio. Er bewies damit vor aller Augen, daß ein durchtrainierter Tageszeitungszeichner fast so schnell ist wie die Polaroid-Chemie. Nachher versteigerte der emeritierte Kultursenator Franke ein Foto von seinem Werk. Aber wir machen erst noch einen Rundgang.

Seltsame Aufnahmen. Eine Gesellschaft vornehm ermatteter Farben. Die Frauen sind gefangen in den ödesten Posen. Aber Pawloks großartige Technik rettet sie. Der immerwährenden Dämmerung werden sie entlockt mittels weichen Schmeichellichts. Und wie! Aus einer netten Tat macht der Fotograf ohne weiteres ein lichtmalerisches Drama her. Die bläßlichen Frauen, anzuschauen wie herrliche Präparate in Spiritus, kriegen eine Art Leben verliehen, aber, genau besehen, ein ziemlich nekroides. Ein Stilleben nach dem Tod.

Von den Rändern her ist das kühle Design angefressen; die Fotos sind, wie gesagt, übersät mit Befleckungen und chemischen Wunden. Das ist nun wirklich ein Top-Gag. Erst stilisieren, bis alles hin ist, und dann das Ergebnis einmal gründlich durch den handwarmen Dreck der Produktionswelt ziehen! Hat also die Werbekultur wieder mal ein Stück der guten alten Trash-Ästhetik kassiert. Das Ergebnis kommt exotischerweise grundehrlich und voll ungewaschen, Mann!

Im zweiten Raum hängen nette Porträts. Stars der Musik-Szene, Charlie Mariano etwa oder Barbara Thompson oder Konstantin Wecker, stehen hinter sinnreich bemalten Leinwänden und halten Kopf und Händchen durch geeignete Schlitze ins Bild (Sponsor: Mercedes Benz). Der supernaive Polaroid-Realismus und breitgestrichene Malerei, einfach ineinandergeschnitten, wie man so sagt, das ist ein Einfall. Wenn es nach ihm geht, sagt Pawlok, wird

Werner Pawlok, Madonna. Polaroid auf Aquarellpapier transferiert

er ihn mit einer ziemlich großen Zahl X multiplizieren und, solang Größen aller Art mittun mögen, eine Art Lebenswerk draus machen.

Am Ende tritt Horst-Werner Franke also als Auktionator auf den Plan. Ein gewohnt schweres Amt! Ein Mette-Polaroid und eins vom Aktionskünstler Helnwein loswerden, und auf amerikanisch! Bis erst das knickrige Publikum begriffen hat, daß man, um auf amerikanisch einzuheimsen, gar nicht das meiste zahlen,

hierhin bitte

das Foto von der

madonnenhaften

Frau

sondern nur den letzten Etappenschein in den Topf schmeißen muß. Das dauert und zieht sich, aber was ein Franke a.D. ist, der brüllt unentwegt und schwingt den Hammer und plagt sich wie ein Anlasser, bis dann doch die Menge anspringt und sich, zehnmarkweise stotternd, in einen vergnügten Abend steigert. Manfred Dworschak

Zur Ausstellung hat die Edition Stemmle, Schaffhausen, einen Katalog herausgebracht: 125 Seiten, vierfarbig, 48 Mark.

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