„Niemand von uns wollte weiterkämpfen“

■ taz-Gespräch mit einem Hauptmann der Garlstedter US-Division „Hell On Wheels“ über seinen Einsatz im Golfkrieg

4.000 Soldaten waren es, die mit der Garlstedter Panzer-Brigade „Hell On Wheels“ Anfang Januar Richtung Saudi-Arabien flogen. Mitte März wurde der Panzer von Hauptmann William Hedges zerstört und er selbst von Granatsplittern getroffen. Zusammen mit 44 anderen Verletzten kehrte er am 17. März nach Garstedt zurück. Mit anwesend bei dem Gespräch war der Pressesprecher der Kaserne Heimz Thompson.

taz: Warum sind Sie Soldat geworden?

William Hedges: Mein Vater war 30 Jahre lang bei der US-Luftwaffe. Und deshalb wollte auch ich zur Armee gehen, um meinem Land zu dienen. Außerdem wußte ich ja von meiner Familie, was das bedeutet und daß man da ein gutes Leben führen kann, daß ich da niemals in irgendwelchen Slums leben werde. Ich wollte meinem Land das wiedergeben, was sie in meine Familie und mich investiert hatten, was ich ihnen sozusagen schuldig war.

Sie waren mit ihrer Panzerbrigade im Golfkrieg eingesetzt. Haben sie etwas von den Folgen der Flächenbombardierungen gesehen?

Wir haben sehr viele zerstörte Fahrzeuge der irakischen Armee gesehen, sowohl im südlichen Irak, als auch in Kuwait.

Teile der Garlstedter Panzerdivision waren an vorderster Front bei der Bodenoffensive. Waren Sie auch dabei?

Ja. Wir waren sozusagen die Speerspitze der 1. US-Infanterie- Division. Mitte Februar waren wir zum ersten Mal an der irakischen Grenze. Wir wußten nämlich nicht, wie stark die leichten Truppen der Irakis vor den eigentlichen Stellungen waren. Das sollte unsere Einheit mit Hubschraubern herausfinden. Eine Woche danach begann die eigentliche Bodenoffensive. Zuerst haben die beiden anderen Brigaden die Grenze überquert und angegriffen. Dann, nach zwei Tagen, gingen wir nach vorne. Einen Tag später kam die erste englische Panzerdivision hinzu und es begann der lange Marsch auf Kuwait. Zwei Tage dauerte es, bis wir nördlich von Kuwait-Stadt waren.

Wie hat ihre Frau darauf reagiert, als sie hörte, daß sie bei der Bodenoffensive dabei sein werden?

Meine Frau war zwar sehr besorgt, aber sie glaubt auch an mich. Sie wußte zwar, daß ich für sehr lange Zeit weg sein werde, aber, daß ich nicht mehr zurückkehren würde, haben wir eigentlich nie geglaubt. Die Gedanken, daß ich sterben könnte, hat sie zur Seite geschoben. Darüber haben wir auch nicht gesprochen.

Vater im Vietnamkrieg

Hatten Sie an der Front das Gefühl, von einem Erfolg zum nächsten zu gehen?

Absolut. Auch beim Bodenkrieg ging alles viel schneller als ursprünglich geplant. Deshalb war auch die Truppe gut motiviert.

Ihr Vater war im Vietnamkrieg?

Ja. Damals war ich erst 13 Jahre alt. Ich kann mich aber noch an vieles erinnern, zum Beispiel an die Demonstrationen. Außerdem hat mein Vater viel darüber erzählt. Er hat damals einen Vetter verloren.

Gibt es für sie einen Unterschied zwischen diesen beiden Kriegen?

Es ist schwierig, das zu vergleichen. Der wichtigste Unterschied ist wohl, daß der eine Krieg fast zwölf Jahre gedauert hat und der andere nur sieben Wochen. Sonst kann man die beiden Kriege nicht vergleichen.

Ein großer Unterschied ist ja, daß es im Gegensatz zum Vietnamkrieg jetzt eine strenge Pressezensur gab. Fanden sie das richtig?

Ich würde nicht sagen, daß es eine Pressezensur gab. Sie haben nicht alle Informationen verhindert. Es gab Informationen, aber vielleicht einen oder zwei Tage später als sonst.

Aber eine unabhängige Berichterstattung an der Front war ja nicht möglich. Es gab weder Bilder von Verwundeten, noch von Auswirkungen der Bombardierungen.

Ich bin der Meinung, die Armee hat da völlig korrekt gehandelt. Der Kriegsverlauf war so rasant, daß man ihn gar nicht so parallel wie in Vietnam hätte dokumentieren können. Das können wir erst jetzt. Und das wichtigste: Die Irakis hätten die Informationen gegen uns verwendet.

Die Einschränkung der Pressefreiheit widerspricht dennoch der Informationsfreiheit, wie sie in der Verfassung der USA verankert ist. Haben Sie damit keine Probleme?

Der Presseoffizier schaltet sich ein: Wir sind inzwischen in einer Diskussion über Pressefreiheit, und ich glaube, da sind wir nicht zuständig und auch er nicht.

Während des Iran-Irak-Krieges haben die USA auch Waffen an den Irak geliefert. Gab es im Golfkrieg die Situation, daß sie gegen eigene Waffen gekämpft haben?

So etwas habe ich nicht erlebt, daß gegen uns amerikanische Waffen benutzt wurden. Was wir allerdings gesehen haben, waren Mercedes-Lastwagen und MBB- Hubschrauber.

Auch die Sowjetunion hat jede Menge Waffen an den Irak geliefert. Die haben aber anscheinend nicht besonders gut funktioniert. Woran lag das?

Da kann ich nur spekulieren. Spontan fallen mir zwei Gründe ein. Erstens: Die meisten Waffen aus der Sowjetunion sind sehr alt. Sie entsprechen nicht dem neuesten Stand. Und der zweite Grund: Die Moral der irakischen Truppe ist ziemlich schlecht, deshalb kümmern sie sich auch nicht besonders um die Instandhaltung der Waffen.

Der Krieg, so wie er in den Medien vermittelt wurde, wirkte oft wie ein Krieg aus der Ferne. Hier drückt man auf den Knopf, dort, ganz weit weg, sterben Menschen und gibt es Zerstörung. Haben Sie das ähnlich empfunden?

Nein, ich habe den Krieg sehr persönlich und direkt wahrgenommen. Ich wußte ja, daß wir die Irakis von Angesicht zu Angesicht treffen würden. Wir wußten, einige werden leben, andere sterben. Deshalb war es für mich und meine Soldaten sehr persönlich.

Was für ein Gefühl war das, als aus Washington zum Rückzug geblasen wurde, obwohl das militärische Potential des Iraks noch nicht völlig vernichtet war? Hätten sie gern weitergekämpft?

Niemand von uns wollte weiterkämpfen, auch ich nicht. Wer liebt schon das Kämpfen und Sterben? Und außerdem gab es ja die politische Entscheidung von oben.

Presseoffizier: Keiner hätte aus eigener Entscheidung weitergekämpft. Wenn die Entscheidung anders getroffen worden wäre, hätte man sich natürlich untergeordnet und weitergekämpft. Aber selbst, aus eigenen Stücken kämpfen zu wollen, das gibt es nicht.

Denken Sie heute noch genauso, wenn Sie sehen, wie der Irak in einem blutigen Gemetzel die Kurden vernichtet?

Der Präsident ist mein Chef

Es ist natürlich hart, wenn man sieht, wie es den Kurden geht. Aber das war eine Sache, die nicht vorhersehbar war. Ich muß mich da an die Weisungen des Präsidenten halten.

Und ihre persönlichen Gefühle?

Ich halte mich da an unseren Präsidenten. Er ist mein Kommandeur und Chef. Und die USA haben die Position, daß sie sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines Staates einmischen.

Die Kurden werfen Bush vor, er hätte sie zunächst ermuntert, sich gegen Hussein zu erheben und jetzt läßt er sie in ihrem Elend allein. Fühlen Sie sich persönlich mitverantwortlich für das Schicksal der Kurden?

Die Kurden hatten lange vor dem Golfkrieg Auseinandersetzungen mit Hussein. Ich glaube nicht, daß sie sich erhoben haben, weil Bush sie dazu aufgefordert hat. Das war für sie nur eine neue Chance, etwas für sich herauszuholen. Außerdem bin ich nicht der Meinung, daß die USA eine Weltpolizei ist.

Das heißt, persönlich fühlen Sie keinerlei Verantwortung?

Presseoffizier: Ich glaube, wir können das eigentlich nicht beantworten. (Zu dem Offizier: Ich denke, solange Sie in Uniform sind, können Sie auf diese Frage nicht antworten. Das ist zu politisch. Wenn Sie privat sind, können Sie tun, was sie wollen). Interview: Birgit Ziegenhagen