Stasi unterstützte Attentäter

■ Sprengstoff für Anschlag auf Maison de France nach Beschlagnahmung wieder an Attentäter ausgehändigt/ Ex-Stasi-Offizier Voigt abgetaucht

Berlin. Wie erst gestern bekannt wurde, sucht die Berliner Justiz seit dem 10. April per Haftbefehl den ehemaligen Stasi-Oberstleutnant Helmut Voigt sowie drei Mitglieder der Gruppe um den international gesuchten Terroristen »Carlos« wegen des Verdachts auf »Beihilfe zum Mord« beim Bombenattentat auf das »Maison de France« am 25. August 1983. Bei dem Anschlag war ein Mann getötet, über zwanzig Menschen zum Teil schwerverletzt worden.

Untersucht wird gegenwärtig noch, ob auch Stasi-Chef Mielke und sein Stellvertreter Gerhard Neiber von dem Anschlag wußten. Daß nach Zeitungsmeldungen auch der ehemalige Leiter der Stasi-Hauptabteilung XXII (»Terrorabwehr«), Oberst Harry Dahl, wegen des Anschlages auf das »Maison de France« in der Uhlandstraße in Untersuchungshaft sitzen soll, ist der Berliner Justizpressestelle nicht bekannt. Dahl sitzt zwar in U-Haft, jedoch nicht in Berlin, sondern in Westdeutschland wegen Verdachts auf Beihilfe zum Mord in Form von Unterstützung und Ausbildung von RAF-Mitgliedern.

Nach den vorliegenden Erkenntnissen, so erklärte der ermittelnde Staatsanwalt Mehlis gestern gegenüber dem SFB, war ein Mitglied der Gruppe »Carlos« 1982 über den Ostberliner Flughafen Schönefeld eingereist — mit 24 Kilogramm Plastiksprengstoff im Gepäck. Dieser wurde vom Zoll in Absprache mit der Stasi konfisziert. Dem Mann wurde ein Jahr später, bei einem erneuten Besuch in Ost-Berlin, der Sprengstoff jedoch wieder ausgehändigt. Bei einer heimlichen Durchsuchung seines Hotelzimmers habe die Stasi zudem Pläne für den Anschlag auf das Maison de France entdeckt. Der Anschlag sei schließlich von einem Libanesen ausgeführt worden, der von dem Carlos-Mitarbeiter instruiert worden sei.

Am schlimmsten traf das Attentat an jenem Donnerstag morgen im August 1983 eine Delegation der Friedensgruppe »Fasten für das Leben«. Die neun FriedensaktivistInnen wollten dem französischen Vizekonsul eine Petition gegen das Wettrüsten und die Atombombentests der Franzosen im Südpazifik überreichen. Die Bombe explodierte genau dort, wo die Gruppe darauf wartete, empfangen zu werden. Der 26jährige Michael Haritz starb unter den Trümmern, die anderen, darunter auch die taz-Mitarbeiterin Sophie Behr, wurden zum Teil schwerverletzt. Sophie Behr erwägt nun, da die Verantwortlichen zum Teil namentlich bekannt sind, als Opfer des Anschlags selbst ein Strafverfahren anzustrengen.

Ob sie, wie auch die Berliner Staatsanwaltschaft, den ehemaligen Stasi-Mann Helmut Voigt je zu Gesicht bekommen, ist zweifelhaft. Gegen Voigt und fünf andere leitende Stasi-Offiziere existiert bereits seit dem 18. März ein Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof wegen Unterstützung von Mitgliedern der Rote Armee Fraktion (RAF). Die Bundesanwaltschaft ließ die Gesuchten, darunter den Mielke-Stellvertreter Neiber, jedoch erst am 26. März festnehmen, kurz nachdem das Fernsehmagazin Monitor angekündigt hatte, über die RAF-Stasi-Connection zu berichten. Nur bei dem Stasi-Offizier Helmut Voigt kamen die Fahnder zu spät. Der ist seitdem abgetaucht. Andrea Böhm