Anhörung in Berlin zum Paragraphen 218

Berlin (taz) — Die ignoranteste Frage stellte der Vertreter der thüringischen Landesregierung. Empört fragte er den Sachverständigen, warum eigentlich so viele Frauen abtreiben, statt das Kind zur Adoption freizugeben. Sein Auftreten blieb die Ausnahme. Auf dem ExpertInnen- Hearing des Bundesratsausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zum Paragraph 218 herrschte sonst eine weitgehend sachliche Atmosphäre. Fragestellung der Anhörung: „Welche sozialen Hilfen sind in Form rechtlich gesicherter Ansprüche erforderlich, um Schwangerschaftsabbrüchen vorzubeugen?“ Anlaß bildete der Berliner Entwurf für ein „Schwangerschaftsgesetz“, das eine modifizierte Fristenregelung vorsieht. Die Bundesratsinitiative des rot-grünen Senats hatte im September letzten Jahres bei den SPD-Ländern — die damals noch die Mehrheit in der Länderkammer hatte — eine herbe Bauchlandung erlebt. Die Beratungen wurden vertagt und eine öffentliche Anhörung beschlossen. Der Berliner Entwurf, eine modifizierte Fristenregelung, sieht die Straffreiheit von Abbrüchen vor; Frauen müssen sich allerdings drei Tage vor dem Abbruch bei einem Arzt über die medizinischen Aspekte informieren. Die ÄrztInnen sollen dabei auch auf Beratungsmöglichkeiten und soziale Hilfen hinweisen. Kernpunkt der Kritik aus Reihen der SPD: Vor dem Bundesverfassungsgericht werde eine Fristenregelung nur dann Bestand haben, wenn der Schutz des ungeborenen Lebens anderweitig, sprich mit sozialen Hilfen, gewährleistet ist.

Auf der Anhörung erklärten zwar alle ExpertInnen, daß eine Vielzahl von sozialpolitischen Maßnahmen notwendig sind, um Frauen ein Leben mit Kindern zu erleichtern. Aber ebenso einhellig — auch bei BefürworterInnen des jetzigen Indikationenmodells — wurde Skepsis laut. Die Bedeutung von materiellen Hilfen dürfe nicht überschätzt werden. Aber auch auf politischer Ebene gab es Bedenken gegenüber einer zur engen Verkoppelung einer Fristenregelung mit sozialpolitischen Paketen. Berlins neue Frauenministerin Christine Bergmann (SPD) warnte gegenüber der taz vor einer Verzögerung, wenn genaue Pläne erhebliche finanzielle Mittel erfordern würden. Auch die saarländische Frauenministerin befürchtet, bei einem „breitem Leistungskatalog“ könnte ein Entwurf für eine Fristenlösung am Veto der Länder scheitern. Helga Lukoschat