Schnoor betreibt Schönfärberei

Mangelnden Schutz Rohwedders hat die NRW-Polizei zu verantworten/ Innenminister Schnoors Darstellungen geben falsches Bild/ Familie Rohwedder und Hoesch widersprechen  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Schnoor gerät im Streit um die von der Polizei getroffenen Schutzmaßnahmen für den ermordeten ehemaligen Treuhand- Chef Detlev Karsten Rohwedder zusehends in die Defensive. Schnoors Darstellung in der 'Westfalenpost‘ vom 4. April 1991, der ermordete Topmanager sei „in NRW genauso geschützt worden wie in Berlin“, trifft faktisch nicht zu. Nachdem Rohwedder im September 1990 zum Chef der Treuhand aufgestiegen war, hatte der damalige Berliner Innensenator Pätzold in einem Fernschreiben vom 22. Oktober 1990 seinem Düsseldorfer Kollegen mitgeteilt: „Bereits seit dem 15. Dezember 1990 erhält Herr Dr. Rohwedder hier nach Einstufung in die Gefährdungsstufe 1 die Schutzmaßnahme 1 durch Beamte des Berliner Personenschutzes.“ Nach diesem Fernschreiben intervenierte die Düsseldorfer Polizei bei der Berliner Behörde, woraufhin diese von der Gefährdungsstufe 1, die einen Polizeischutz rund um die Uhr vorsieht, für Rohwedder abrückte. In einem internen Vermerk der Berliner Innenbehörde vom 24. Oktober 1990 heißt es wörtlich: „Nach dem Fernschreiben (gemeint ist das vom 22. Oktober — d. Red.) hat sich Nordrhein-Westfalen an die Polizei gewandt und der Verwunderung Ausdruck gegeben, daß die Einstufung geändert wurde, obwohl die Berliner Beamten doch nur unterstützend für das eigentlich zuständige Land Nordrhein-Westfalen tätig werden.“ Die Berliner Polizei hat daraufhin zugesagt, daß sie sich an die Einstufung gemäß des Landes Nordrhein-Westfalen halten wird, also zukünftig „Schutzmaßnahme 2 im Rahmen der Einstufung in die Gefährdungsstufe 2 gewährt wird“.

Trotz dieser eindeutigen Formulierungen erklärte das Düsseldorfer Polizeipräsidium am Donnerstag, es sei „abwegig“ den „Eindruck zu konstruieren“, das Land NRW habe bei der Gefährdungseinstufung auf Berlin Einfluß ausgeübt. Der Schutz, den die Berliner Polizei Rohwedder tatsächlich gewährte, kam auch nach der Herabstufung faktisch der Sicherheitsstufe 1 nahe.

Polizei: Provathaus sicherer als Hotel

Während Rohwedders Haus in Düsseldorf lediglich mehrmals täglich von der Polizei „bestreift“ wurde, beorderte die Berliner Innenbehörde auch nachts einen Polizeiposten in Rohwedders Hotel. Eine vergleichbare Bewachung schien der Düsseldorfer Polizei verzichtbar, weil, so der Pressesprecher Ulrich Rungwerth, ein Privathaus besseren Schutz biete als ein Hotel. Nach Darstellung von Rungwerth hat die Düsseldorfer Polizei bei einem Treffen mit Sicherheitsexperten der Firma Hoesch am 20. September vorigen Jahres im Hause von Rohwedder „für die gesamte Außenverglasung Sicherheitsglas empfohlen“.

Tatsächlich wurde aber nur das Erdgeschoß mit dem durchschußhemmenden Glas versehen. Die Fenster des im Obergeschoß liegenden Arbeitszimmers, durch die die tödlichen Kugeln den Treuhandchef trafen, blieben ungeschützt. Warum? Innenminister Schnoor hat in einem ZDF-Interview zu verstehen gegeben, Rohwedder selbst habe so entschieden. Schnoor am 3. April wörtlich: „Durchschußhemmendes Glas hat es im Paterre gegeben, nicht oben im Haus, aber das ist eine Entscheidung, die man wohl dem Betroffenen zubilligen muß.“ Nach einem Bericht der 'Welt‘ hat die Familie Rohwedder dieser Darstellung gegenüber Bundesinnenminister Schäuble heftig widersprochen. Eine Empfehlung für die Sicherheitsverglasung auch im ersten Stock habe es durch die Polizei nicht gegeben. Der Pressesprecher der Dortmunder Hoesch AG, Jochem Oertmann, äußerte sich gegenüber der taz im gleichen Sinne. Die bei dem Polizeigespräch im Hause Rohwedders anwesenden drei Sicherheitsbeauftragten von Hoesch könnten „sich sehr wohl daran erinnern“, daß sie nicht einmal den ersten Stock betreten hätten. Schon diese Tatsache deutet nach Auffassung des Hoesch-Sprechers darauf hin, daß die Verglasung im Obergeschoß auch kein Thema gewesen sei.