Auch aus den Bundesländern tröpfelt Hilfe für kurdische Flüchtlinge

■ Berlin will Schwerverletzte in Krankenhäusern aufnehmen/ Bayern hat bereits fünf Millionen Mark für die „kurdischen Opfer des irakischen Diktators“ bewilligt

Berlin (taz) — Wozu die Industrieländer logistisch fähig sind, haben sie vor dem Golfkrieg hinreichend bewiesen: eine halbe Million alliierte Soldaten wurden am Golf stationiert, mit Pancakes, täglich wenigstens einer Dusche und Telefonzellen im Wüstensand versorgt. Alles andere als bequem, aber so gut es eben ging. Die Hilfsaktionen für über zwei Millionen kurdische Flüchtlinge im Iran und im irakisch-türkischen Grenzgebiet nehmen sich dagegen nach wie vor wie Stückwerk aus - was die Finanzen wie auch die Logistik betrifft. Weitere 105 Millionen Mark hat die BRD nun bereitgestellt. „Eine Luftbrücke der Menschlichkeit“ propagiert seit Tagen Außenminister Genscher - und fordert unter anderem, schwerverletzte Flüchtlinge in deutschen und westeuropäischen Krankenhäusern zu behandeln.

Bei der praktischen Umsetzung hapert es noch — bislang sind nur einige wenige Bundesländer der Aufforderung des Außenministers gefolgt und haben Betten angeboten. Dank massiven Drucks von seiten der Parlamentsfraktion Bündnis 90/Grüne/UFV sowie einer Hilfsaktion „Berliner helfen Kurden“ unter Leitung der Berliner Ärztekammer beschloß der Senat am Dienstag, ab sofort 20 Krankenhausbetten für kurdische Schwerverletzte bereitzuhalten, „egal, ob die Bezahlung geklärt ist“, wie Senatssprecher Flämig mitteilte. Ursprünglich wollte man verletzte Flüchtlinge nur aufnehmen, wenn die Bundesregierung oder die EG die medizinische Behandlung finanzieren. „Prinzipiell ja“, hieß es auch in Rheinland-Pfalz auf die Frage, ob in den Krankenhäusern schwerverletzte Flüchtlinge versorgt werden könnten. Die Universitätsklinik Mainz hat bereits angeboten, Betten bereitzustellen.

Geradezu über sich hinaus wächst die bayerische Landesregierung. Fünf Millionen Mark, so ein Landtagsbeschluß von letzter Woche, werden für die medizinische Behandlung verletzter Flüchtlinge in Bayern bewilligt — erstaunlicher Sinneswandel eines Bundeslandes, das auch während des Golfkrieges Kurden in die Türkei abgeschoben hat. In diesem Fall, so der Landtagsbeschluß, gehe es um „kurdische Opfer des irakischen Diktators“.

Auch der brandenburgische Landkreis Bernau beschloß nun, im Kreiskrankenhaus 15 Betten für schwerverletzte kurdische Kinder bereitzustellen. Allerdings müsse die Finanzierung der medizinischen Behandlung von anderer Seite gewährleistet werden.

Im rot-grünen Hessen zeigte man sich vom Berliner Projekt sehr angetan und will sich über eine ähnliche Initiative Gedanken machen. Bereits letzte Woche hatte das Kabinett in Wiesbaden beschlossen, als Soforthilfe für die Flüchtlinge in den Lagern 300.000 Mark an medico international und die Gesellschaft für bedrohte Völker zu überweisen. Bereit zur Aufnahme verletzter Flüchtlinge zeigten sich auf Anfrage die meisten, bloß habe bei ihnen ja noch keiner angefragt. „Kapazitäten“, so Manfred Oettler, Sprecher des Gesundheitsministeriums in Nordrhein-Westfalen, „sind immer vorhanden“ - medizinische Erfahrung ebenfalls. Schließlich habe man während des iranisch-irakischen Krieges bereits iranische Opfer irakischer Giftgasangriffe aufgenommen und medizinisch versorgt. „Aber im Fall der Kurden ist noch niemand an uns herangetreten.“ Ähnlich äußerten sich die SprecherInnen der Gesundheitsressorts in Baden-Württemberg und Bremen. Dort gibt es immerhin seit Jahren einen Haushaltsposten für die Behandlung von Schwerverletzten aus Krisenregionen.

Auch beim Verteidigungsministerium in Bonn, dem die Bundeswehrkrankenhäuser unterstehen, ist die Aufnahme von Schwerverletzten noch kein Thema. „An uns ist bislang keine derartige Bitte herangetragen worden“, erklärte Kurt Fredemann, Oberstleutnant und Pressesprecher der Luftwaffe.

Im Rahmen der Initiative „Berliner helfen Kurden“ sollen in den nächsten Tagen ÄrztInnenteams in die Flüchtlingsgebiete im Iran und an der türkisch-irakischen Grenze entsandt werden. Wichtigstes Ziel ist die medizinische Hilfe und Versorgung vor Ort. Medikamente, Kleider, Zelte, Decken sollen durch Spenden finanziert und auch aus Beständen der ehemaligen Nationalen Volksarmee abgezogen werden. Die Initiative hat das Bundesverteidigungsministerium gebeten, fahrbare Lazarette und Krankenwagen der NVA zur Verfügung zu stellen. Der Berliner Senat hat für's erste 100.000 Mark für die Aktion bewilligt - eine vergleichsweise kärgliche Summe, wenn man bedenkt, daß sich die Stadt mit Olympia- und Regierungssitzambitionen einen Olympiamanager mit 290.000 Mark Jahresgehalt leistet.

Wer letztlich nach Berlin zur medizinischen Behandlung ausgeflogen wird, müssen die MedizinierInnen vor Ort in den Flüchtlingslagern entscheiden. Daß zwanzig bis dreißig Betten, vielleicht auch irgendwann zweihundert, bei Zehntausenden von Phosphor-und Napalmopfern kaum noch als ein Tropfen auf den heißen Stein zu bezeichnen sind, ist auch den InitiatorInnen klar. „Es geht um Einzelschicksale“, sagt Ingrid Lottenburger, Mitkoordinatorin der Berliner Hilfsaktion, „um Menschen, die dort nicht überleben würden“. Andrea Böhm/ Vera Gaserow