Irak-Geiseln fordern Unterstützung von Bonn

„Kontaktbörse“ beklagt Untätigkeit des Außenministeriums/ Anders als die Angestellten großer Firmen sind die Geiseln ohne Lobby auch wirtschaftlich schwer getroffen/ Bei den früheren kuwaitischen Arbeitgebern ist nichts zu holen  ■ Von Laura Hempel

Wie eine ganze Reihe anderer Deutscher auch hat der Pyrmonter Uwe Wruck seit Jahren in Kuwait gelebt. Als angestellter Werbefotograf arbeitete er in einem kuwaitischen Studio. Die Bundesrepublik verlassen hatte der heute 36jährige 1983, weil er arbeitslos wurde. Bereut hat der inzwischen mit einer Inderin Verheiratete diesen Schritt nie — bis zum Tag des irakischen Einmarsches in das Scheichtum.

Zwar konnten seine Frau und die beiden Kleinkinder das Land Ende August verlassen. Uwe Wruck aber mußte sich insgesamt vier Monate in seiner Wohnung verschanzen und ums Überleben kämpfen, völlig alleingelassen von der bundesdeutschen Botschaft in Kuwait und nur von einheimischen Bekannten und Freunden unterstützt. Über Bagdad und Amman war ihm im Dezember dann schließlich die Flucht gelungen — als einer der letzten fünf Deutschen, die nach der Initiative von Willy Brandt das Land überhaupt noch verlassen konnten.

Damit aber, so Wruck, habe das Nichtstun der Bundesregierung noch lange kein Ende gehabt. So drücke sich das Auswärtige Amt nach wie vor davor, der Resolution 674 des UN-Sicherheitsrates vom 29. Oktober 1990 nachzukommen. Mit dieser Resolution werden die Staaten aufgefordert, Informationen über Vermögensverluste im Zusammenhang mit der irakischen Besetzung Kuwaits zu sammeln und hierüber zu berichten. Die meisten Staaten sind dieser Aufforderung inzwischen nachgekommen. Die deutschen Betroffenen hingegen warten nach wie vor auf entsprechende Informationen des Auswärtigen Amtes. Um sich zumindest untereinander auf dem laufenden zu halten, haben sich die 70 inzwischen unter Federführung der Münchnerin Patricia Hundsdorf zur „Kontaktbörse Irak-Geiseln“ zusammengeschlossen. Zahllose Briefe an das Außenamt hatten keinerlei Erfolg.

Erst der Hinweis, daß die Presse eingeschaltet werde, brachte eine erste Reaktion aus der Genscher-Behörde. Der Inhalt ließ die Hoffnungen der Kontaktbörse aber sofort wieder auf den Nullpunkt sinken. Das Auswärtige Amt teilte lediglich lapidar mit, „daß Sie Ansprüche gegen den Irak, die aufgrund der Invasion in Kuwait entstanden sind, dem Auswärtigen Amt mitteilen können“. Weiter heißt es aber: „Das Auswärtige Amt weist darauf hin, daß Ihre Ansprüche nicht im einzelnen geprüft werden. Mit der Registrierung wird daher auch keine Aussage über die Berechtigung der Ansprüche getroffen. Auch bleibt eine Entscheidung darüber vorbehalten, ob und gegebenenfalls wann die Bundesregierung die Ansprüche völkerrechtlich geltend machen wird.“ Den Mitgliedern der Kontaktbörse wird dann lediglich empfohlen, ihre eigenen Bemühungen zu einem Schadensausgleich, beispielsweise ehemaligen Arbeitgebern gegenüber, einzuleiten oder fortzusetzen.

Daß diese Adressaten zur Zeit von Deutschland aus gar nicht erreichbar sind, macht sich das Auswärtige Amt offenbar nicht bewußt. Als ebenso entscheidend bezeichnen es Patricia Hundsdorf und Uwe Wruck, daß bei den kuwaitischen Arbeitgebern gar kein Geld einklagbar ist. „Die Kuwaitis sind doch vollig schuldlos am Krieg und haben ebenso wie wir unter dem Krieg gelitten. Auch sie haben das meiste verloren, konnten nicht mehr arbeiten, lange Zeit waren auch die Konten gesperrt. Mit welcher Begründung und was sollten wir also bei denen einklagen?“, kritisiert Wruck diesen „Vorschlag“ der Bonner Behörde.

Daß es auch anders geht, beweisen die Praktiken anderer westeuropäischer Staaten: Das österreichische Außenministerium hat beispielsweise bereits am 2. Januar die durch die irakische Invasion geschädigten Österreicher von sich aus aufgefordert, der Behörde bereits jetzt vorsorglich die entstandenen Vermögensverluste unter möglichst genauer Beschreibung und Bewertung mitzuteilen. Sie wurden sogar gebeten, die vom Ministerium möglicherweise nicht unterrichteten Personen über die Vorgehensweise zu informieren.

Obwohl dem Auswärtigen Amt in Bonn eine Liste der Betroffenen vorliegt, ist bislang keine der bundesdeutschen Ex-Geiseln persönlich angeschrieben worden. „Wir wollen ja kein Geld von der Bundesregierung. Wir wollen nur, daß der Staat, für den und wegen dessen Politik wir unter unmenschlichen Bedingungen fast vier Monate in Kuwait festgesessen haben, sich für unser Recht einsetzt“, betont Uwe Wruck. Viele andere Europäer, wie beispielsweise Polen oder Schweizer, hätten Kuwait bereits drei oder vier Wochen nach Kriegsausbruch verlassen dürfen. Die Deutschen aber waren vier Monate lang Gefangene in ihren eigenen Wohnungen, ohne Arbeit, ohne Einkommen und sogar ohne die Möglichkeit, einkaufen zu gehen. Da hinter den 70 Ex-Geiseln aber auch keine großen Firmen stehen, die ihre Beschäftigten teils großzügig entschädigt haben, sind die kleinen Krauter nun vielfach auf Sozialhilfe und die Unterstützung durch Verwandte angewiesen.

Einen ersten Fortschritt erhoffen sich die Mitglieder der Kontaktbörse nun von einem Treffen, das am Wochenende mit den zuständigen Außenministerialen stattfinden wird.