: Frankreich: Erstmals „Auschwitz-Lüge“ bestraft
Neues Gesetz stellt Verneinung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter Strafe/ Literaturprofessor zu 30.000 Mark Geldstrafe verurteilt/ Ausschluß der Öffentlichkeit vom Gericht abgelehnt/ Professor durfte sich noch einmal „verteidigen“ ■ Aus Paris Bettina Kaps
Ein französisches Gericht hat erstmals die Leugnung der Nazi-Verbrechen bestraft. Robert Faurisson, ein 62jähriger Professor der Literaturwissenschaft, wurde am Donnerstag zu 30.000 Mark Geldstrafe auf Bewährung verurteilt (das heißt, er muß diese Buße nur bezahlen, falls er innerhalb der nächsten fünf Jahre erneut straffällig wird). Die Nebenkläger, elf Vereinigungen von Deportierten, erhalten je 6.000 Mark Schadenersatz.
Die Pariser Strafkammer wandte damit ein Gesetz vom 13. Juli 1990 an, das die Anfechtung von Verbrechen für strafbar erklärt, die ein französisches oder ein internationales Gericht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit erklärt hat.
Zuvor gab es in Frankreich — wie in den meisten europäischen Ländern — keine Handhabe gegen Leute, die von der „Auschwitz- Lüge“ sprachen. Faurisson bezeichnet die Vergasung der Juden seit vielen Jahren in Zeitschriften, Büchern und auf Kassetten als „Mythos“. Er konnte bis dahin nur einmal verurteilt werden, als er sich zugleich der „Verleumdung und Anstiftung zu Rassenhaß“ schuldig gemacht hatte.
Ein Interview mit der rechtsradikalen Zeitschrift 'Le choc du mois‘ vom September war Anlaß für die Anklage unter dem neuen Gesetz. Faurisson behauptet unter anderem, die Gaskammern hätten nur zur Säuberung der Kleider der Deportierten gedient. Der Direktor des Blattes muß 9.000 Mark Buße bezahlen.
Der Prozeß selbst war für die Überlebenden der NS-Verfolgung äußerst schmerzhaft. Vergebens hatten die Nebenkläger verlangt, das Gericht solle Faurisson die Wiederholung seiner Thesen verbieten. Der Richter betonte jedoch das Recht auf Verteidigung: Die Aussagen eines Angeklagten vor Gericht sind straffrei. So konnte Faurisson ausführlich erklären, warum er den Holocaust für „eine historische Lüge, schreckliche Verleumdung, ekelhafte Diffamation“ hält. Eine alte Frau wollte daraufhin bezeugen, daß ihre fünf Brüder in KZs ermordet wurden — sie wurde weinend aus dem Saal geführt.
Faurissons Anwalt argumentierte: „Man wird mich nicht davon überzeugen können, daß zwei und zwei fünf, daß die Erde flach und das Nürnberger Gericht unfehlbar ist.“
Um den Konflikt zwischen dem Recht auf Verteidigung und dem Verbot der „Auschwitz-Lüge“ zu entschärfen, schlug der Anwalt des Verbands der Deportierten, Bernard Jouanneau, den Ausschluß der Öffentlichkeit vor, was das Gericht jedoch ablehnte. Faurisson konnte seine verletzenden Provokationen und Lügen also ein letztes Mal unbesorgt vor einem Publikum ausbreiten — durch die Anklage hatte er ein Forum erhalten. Jouanneau, der das Gesetz gegen die „Auschwitz-Lüge“ auch initiiert und ausgearbeitet hat, sagte nach der Urteilsverkündung, er sei mit dem Ausgang des Prozesses dennoch zufrieden.
In seiner Begründung räumte das Gericht ein, daß es „eine neue Grenze für das Recht auf freie Meinungsäußerung konstituiert“ habe, die jedoch mit den allgemeinen Rechtsprinzipien in Einklang stehe. Der Respekt vor den Opfern des Nationalsozialismus erfordere solche Schranken. Zugleich jedoch kritisierte das Gericht den im Sommer letzten Jahres in das französische Strafrecht aufgenommenen Tatbestand als Beschränkung des Rechts auf Meinungsfreiheit.
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