Bushs Bildungsreform begeistert nur das Busineß

Der US-Präsident stellt sein Bildungsprogramm „America 2000“ vor/ Kaum Rezepte für die Beendigung der Malaise im drittklassigen US-Bildungssystem/ Stärkere Beteiligung der Wirtschaft/ Die Schulen fallen den Löchern im Haushalt zum Opfer  ■ Aus Washington Rolf Paasch

George Bush, der sich bereits seit Beginn seiner Amtszeit gerne als „Erziehungspräsident“ bezeichnet, hat am Donnerstag seine lang angekündigte Bildungsreform vorgestellt. Die Vorschläge seiner Administration zu einer angeblich „radikalen Wende“ im Schulwesen umfassen Pläne für neue Prüfungen nach dem vierten, achten und zwölften Schuljahr, die Gründung neuer, experimenteller Schulen, eine Ausweitung der Erwachsenenbildung und eine stärkere Beteiligung der Wirtschaft an der Erziehung der zukünftigen Arbeitskräfte. Obwohl die Malaise im US-Bildungswesen selbst unter Konservativen unumstritten ist, sieht der Haushalt für 1992 für die Schulreform ganze 690 Millionen Dollar (circa eine Milliarde DM) vor; das sind rund zwei Drittel der Kosten eines Kriegstages am Persischen Golf.

Bushs neuer Erziehungsminister Lamar Alexander beeilte sich zu erklären, die „America 2000“-Strategie beinhalte weniger konkrete Maßnahmen, sondern gebe in erster Linie einen föderalen Rahmen ab, innerhalb dessen die Schuldistrikte die pädagogischen Realitäten in den 110.000 Schulen der Nation verbessern könnten. Das Erziehungswesen liegt in den USA weitgehend in den Händen der Bundesstaaten. Nur acht Prozent der Kosten für die Erziehung werden aus Bundesmitteln bestritten. Vor allem die Gründung neuer Schulen mit experimentellen Lehrmethoden soll nach der Vorstellung der Bush-Regierung den lokalen Wettbewerb im Bildungswesen verbessern und in armen Distrikten die Schulauswahl der Eltern vergrößern.

George Bush war es in den zwei Jahren während der Ausarbeitung seiner Pläne gelungen, die mit dem US-Bildungsnotstand unzufriedene Industrie zur inhaltlichen und finanziellen Beteiligung an seiner Reform zu gewinnen. So kam von den Unternehmenschefs großer Konzerne denn auch die einzige enthusiastische Reaktion auf seine jetzt verkündete Reform. Kritiker wie der Autor Jonathan Kozol bezeichneten die Schulstrategie „America 2000“ dagegen als „intellektuelle peinliche Anhäufung von Banalitäten“, in der weder von den Kosten der Reform noch vom Abbau der in den USA faktisch immer noch bestehenden Rassentrennung im Schulsystem die Rede sei. Auch die vorgeschlagenen— allerdings freiwilligen— Prüfungen seien für die Beurteilung des Bildungsniveaus völlig ungeeignet, argwöhnten Sprecher der Lehrerverbände. Schon heute wird den Kindern in den amerikanischen Schulen bereits mit dem Multiple-choice- Verfahren die Lernfreude ausgetrieben. Dieses diene entweder der Feststellung des eng definierten Intelligenzquotienten oder nur der Abfrage reiner Fakten, ohne daß sie auf die weitere Schulkarriere ihrer „Opfer“ irgendwelche Auswirkungen hätten.

Während George Bush im Weißen Haus vor Gouverneuren und Praktikern aus dem Erziehungswesen stolz seine Vorschläge enthüllte, begannen im Bundesstaat Washington 21.000 Lehrer mit einem Streik gegen weitere Haushaltskürzungen in ihrem Bundesstaat und Entlassungen der Schulbehörde. In New York werden ebenfalls aus Gründen der Etatknappheit zur Zeit solche Experimentierschulen geschlossen, deren Schaffung die Bildungsreform landesweit vorsieht. Daran, daß das Bildungswesen auf der Ebene der Bundesstaaten zum ersten Opfer der regionalen Haushaltskrisen geworden ist, wird auch die jetzt vorgestellte Bildungsreform nichts ändern.