Irak meldet der UNO nur C-Waffen und Scuds

Bagdad bestreitet den Besitz von biologischen und atomaren Waffen/ Im Brief an die UNO werden angeblich nur 30 chemische Sprengköpfe und 52 Scud-Raketen gemeldet/ Rätselraten um zivile Uran-Bestände/ IAEA plant Vor-Ort-Überprüfung  ■ Von Thomas Scheuer

Kurz vor Ablauf eines UN-Ultimatums hat der Irak am Donnerstag dem UN-Generalsekretariat in New York eine Aufstellung seiner Bestände an chemischen Waffen und Trägerraketen übermittelt. Bei der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) in Wien ging gleichzeitig ein Dokument der Regierung in Bagdad über das irakische Atomprogramm ein. Der UN-Sicherheitsrat hatte in seiner Resolution 687 zum Golfkriegsende dem Irak ultimativ die Meldung seiner Massenvernichtungswaffen inklusive der Produktionsstätten sowie eines Inventars seines gesamten Atomprogrammes auferlegt.

Offizielle Auskünfte über den Inhalt der beiden am Donnerstag übergebenen Dokumente waren am Freitag nicht zu erhalten. Unter Berufung auf diplomatische Kreise meldete die 'Los Angeles Times‘ allerdings, Bagdad gebe in dem 15seitigen Schreiben den Besitz chemischer Waffen zu, bestreite aber gleichzeitig die Existenz biologischer oder atomarer Waffen im Irak. Konkret aufgelistet werden angeblich 30 chemische und 23 konventionelle Sprengköpfe sowie 52 als Träger geeignete Scud-Raketen.

In Wien bestätigte der Sprecher der Internationalen Atomenergie- Agentur, Hans-Friedrich Meyer, gegenüber der taz lediglich, daß der irakische IAEA-Vertreter ein Schreiben „im Zusammenhang mit der Resolution 687“ überbracht habe. Das Papier müsse jetzt erst übersetzt, analysiert und mit dem in New York der UNO übergebenen Dokument verglichen werden.

Der Irak hat bislang stets bestritten, Atomwaffen zu besitzen oder deren Besitz anzustreben. Das Land hat den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet und seine zivilen Atomanlagen dem Kontrollsystem der IAEA unterstellt. In der Vergangenheit gab es jedoch immer wieder Hinweise auf ein paralleles, geheimes Atomprogramm. Experten glauben, daß Bagdads Atomingenieure an einer geheimen Urananreicherungsanlage zur Herstellung waffenfähigen Urans werkeln, von diesem Ziel aber noch mindestens fünf bis zehn Jahre entfernt sind.

Während des Golfkrieges haben die Alliierten die bekannten Atomanlagen des Irak bombardiert — ein völkerrechtlich fragwürdiges Novum, denn damit wurden erstmals in der Geschichte zivile Atomreaktoren militärisch angegriffen, die bereits in Betrieb waren und der Überwachung durch die IAEA unterstanden. 1981 hatten israelische Kampfflugzeuge den von Frankreich gelieferten Atomreaktor Tammuz 1 kurz vor dessen Fertigstellung zerstört. 39 Brennelemente, etwa die halbe vorgesehene Ladung, waren von Frankreich bereits geliefert worden. Sie enthalten insgesamt etwa 12,5 Kilo hochangereichertes (93%) Uran 235, also waffenfähigen Spaltstoff. Zum Teil werden diese Brennelemente in dem Reaktor Tammuz 2 eingesetzt, einem Mini-Forschungsreaktor (Baujahr 1987) ebenfalls französischer Herkunft mit einer Leistung von nur 0,5 Megawatt.

Lagert der Irak waffenfähiges Uran in einem geheimen Bunker?

Aus der Sowjetunion stammt der veraltete 5-Megawatt-Forschungsreaktor IRT 5000 (Baujahr 1967), dessen Brennelemente rechnerisch etwa 8 bis 10 Kilo auf 80% angereichertes Uran 235 enthalten. Beide Reaktoren unterliegen — ebenso wie eine Pilotanlage im Labormaßstab zur Brennelementeherstellung und das Lager für die 39 Tammuz-Brennelemente — der Überwachung durch die IAEA. Letztere beschränkt sich jedoch auf zwei Visiten pro Jahr.

Die letzte IAEA-Inspektion fand im November 1990 statt, wobei keine „Anomalien“ festgestellt wurden. Nur zwei Tage nach der Visite der IAEA-Kontrollettis erweiterte US-Präsident Bush seine Kriegsziele offiziell um die atomare Amputation Saddam Husseins. Atomexperten vermuten, daß Bagdad die Atomanlagen rechtzeitig vor der Bombardierung räumen und den Spaltstoff in einem geheimen Depot bunkern ließ. Seit Januar mahnte die IAEA mehrmals vergeblich entsprechende Informationen aus Bagdad an und hat den Verbleib des hochangereicherten Uran 235, wie IAEA-Sprecher Hans-Friedrich Meyer der taz bestätigte, „bisher nicht verifizieren können“. Das soll nun jene UN-Kommission nachholen, die in den nächsten Wochen auch die irakischen Angaben über ihre Bestände an chemischen Waffen und Raketen vor Ort überprüfen soll.