Standbild: Zuviel Buntes im Kessel

■ Die "Off-Show" blieb unter ihren Möglichkeiten

Wer auf mehreren Kanälen gleichzeitig tanzen will, muß Kompromisse machen. Da Reinhold Beckmann, seit kurzem Sportchef beim Pay-Kanal „premiere“ nun samstags den Kampf ums runde Leder telegen verkaufen muß, kam seine Off-Show erstmals als Aufzeichnung ins Haus. Warum man die Zuschauer daheim an den Geräten im Glauben ließ, direkt dabeizusein, ist schleierhaft. Denn ganz gleich ob live oder als Konserve bleibt die Sendung mit ihrem offenen Konzept und dem Mut zum Schrägen ein exotisches Gewächs im biederen Schrebergarten der öffentlich-rechtlichen Fernsehunterhaltung. Ohne den Druck von Einschaltquoten (die Nation genießt des Lebens Freuden zu dieser Sendezeit erfahrungsgemäß in der ersten Reihe oder außer Haus) eröffnet sich hier eine Spielwiese, auf der vieles möglich ist, was man sonst im Fernseher gar nicht für möglich hält. Diese Freiheiten eines Minderheitenprogramms stellte auch die sechste Ausgabe der „Alternative des guten Geschmacks“ (Beckmann) zweifellos unter Beweis. Die abgedrehte Komik von Co-Moderator Helge Schneider („die singende Herrentorte aus dem Ruhrgebiet“) ist sicher nicht unbedingt mehrheitsfähig, und Videos wie die köstliche Zerlegung eines Schuhplatters lassen sich ansonsten nur auf Low- und No-Budget-Festivals goutieren. Und dennoch hinterließ die Off-Show diesmal einen äußerst zwiespältigen Eindruck, weil sie aus ihren Freiräumen einfach zu wenig machte. Es fehlten die brisanten Themen, die interessanten Figuren, die gezielten Provokationen.

Stattdessen ein alternativer Kessel Buntes. Die groß aufgemachte Kontaktanzeigen-Aktion verpuffte in einem müden Talk mit einem braven VHS-Bediensteten und der Tänzer James Saunders hat sicherlich schon Originelleres kreiert als seine Weiblich/männlich-Nummer. Und wo es wirklich hätte interessant werden können, ließ Reinhold Beckmann die Gelegenheit ungenutzt verstreichen. Die wahren Exoten des Abends, das ehemalige NVA-Kabarett, ließ er nach ein paar platten Ossi-Witzen von der Bühne, ohne sie nach den Absurditäten einer derart grotesken Künstlerexistenz zu befragen. Weit interessanter als die anschließende Diskussion um Ein- und Ausgliederungsprobleme von Ex-NVAlern wären Kostproben aus dem alten Repertoire dieser Satiriker im Staatsdienst gewesen.

Desgleichen hätte man jene peitschenknallenden „Traunwalder Goasslschnalzer“ auch mal fragen können, ob ihnen bei dieser Sendung ganz wohl in ihrer Haut sei, anstatt sie nur ihr bajuwarisches Brauchtum zelebrieren zu lassen. Daß sie den Saal zum Kochen brachten, ist nicht weiter verwunderlich. Schließlich würde Maria Hellwig auf jedem Trash-Festival auch Stürme der Begeisterung entfachen. Reinhard Lüke