PRESS-SCHLAG: Au weia Pauli!
■ Nach der 2:3-Heimniederlage gegen Düsseldorf beginnt auf dem Hamburger Kiez das große Zittern
Klein-klein auf der Großen Freiheit: St.Pauli, des Kiezes liebstes Fußballkind, kommt auf die schiefe Bahn. Und die führt — besonders in Reeperbahn-Nähe — unweigerlich abwärts. Da nutzte kein Schulte- Opfer, wirkte kein Voodoo-Kult im leeren Stadion, hilft nicht einmal der Neu-Trainer Horst Wohlers: Zwischen Gyros und Dosenbier mufft es verdächtig nach zweiter Liga. Spätestens nach der furchtbaren 2:3-Schlappe daheim gegen Düsseldorf.
Was hatten sich die Hamburger bemüht, allein es fehlten die Mittel. Dabei glänzten die Gäste nicht einmal. „Wir hatten nur Kampfkraft und Willen entgegenzusetzten“, offenbarte Pauli-Trainer Horst Wohlers den desolaten Team-Zustand. So entwickelten sich die beiden Gegentore von Ottens und Zander eher zufällig. Düsseldorf hingegen nutzte ganz überlegt grausame Deckungsfehler, schoß geradewegs hinein in den Kasten des verzweifelt auf sich allein gestellten Ersatzkeepers Thomforde.
Erst-Keeper Volker Ippig, Gallionsfigur und Verbindungsmann zur Lieblingsstraße im Stadtteil, mußte das Elend verletzt auf der Bank aussitzen. Dafür war Mittelfeldregisseur Peter Knäbel erstmals nach sechswöchiger Verletzungspause wieder mit auf dem Grün. Und bewies zumindest mathematischen Überblick: „Wir brauchen noch acht Punkte. Mit 30 Zählern sind wir gerettet.“ Doch leider, leider folgen diesem Rechenexempel gar furchtbare Gegner: Mit Bremen, Köln und Frankfurt kommen in den letzten drei Heimspielen nicht gerade die Krücken der Bundesliga ans Millerntor. Und auch die Herausforderungen in Bochum, Gladbach, beim Lieblingsfeind Hamburger SV und in Dortmund stimmen wenig ausgelassen.
St. Pauli, droht der Abgesang? Nur die echten Fans lassen sich noch nichts anmerken und honorieren jubelnd jede halbwegs geglückte Ballberührung ihrer Helden. „Mit so einem Publikum kann man nicht absteigen“, begeisterte sich Düsseldorfs Coach Hickersberger angesichts der 16.100 johlenden Fahnenschwinger. Und strafte sich sogleich selber Lügen: „Ich wünsche mir, daß etliche St.-Pauli-Fans nach Düsseldorf übersiedeln.“ Verräter! Opportunist! Abwerber!
Der Übermut des Österreichers kommt nicht von ungefähr. Im zweiten Jahr nach dem Wiederaufstieg dürfen die Düsseldorfer mit einer 7:1-Punkte Auswärtsbilanz nach den letzten Spielen getrost von einem UEFA-Cup-Platz träumen. Doch noch peitscht der Coach ein: „Wir haben unsere Möglichkeiten noch nicht voll genutzt. Das ist für eine Mannschaft, die nach oben strebt, ganz einfach zu wenig.“ Leisere Töne findet Pauli-Coach Wohlers: „Solange noch drei Mannschaften hinter uns stehen, dürfen wir nicht den Kopf in den Sand stecken.“ Armes Pauli, fast erstickt. miß
Düsseldorf: Schmadtke — Loose — Spanring, Werner — Baffoe, Hey (79. Hutwelker), Schütz, Carracedo (72. Demandt), Albertz — Andersen, Allofs
Zuschauer: 16.100
Tore: 0:1 Hey (20.), 0:2 Baffoe (49.), 1:2 Ottens (63.), 1:3 Allofs (71.), 2:3 Zander (87.)
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