Eine Zensur findet nicht statt!

Die neue Vorsitzende der wichtigsten deutschen Kulturbehörde, der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, ist die 40jährige Juristin Elke Monssen-Engberding. Die arme Frau übernimmt ein schweres Amt, ist sie doch die Nachfolgerin des legendären Rudolf Stefen, der 21 Jahre lang der Behörde vorstand und sich in dieser Zeit durch Berge von Schundliteratur arbeitete, sich gräßliche Filme anschauen mußte, durch Pornoshops und Bahnhofskinos schlich, um Schamhaare zu zählen und den Neigungswinkel der Schwänze zu messen. Das ganze deutsche Volk ist Herrn Stefen zu höchstem Dank verpflichtet. Der Meister Propper der Kultur achtete nicht nur auf beischlafähnliche Bewegungen in Filmen, nein, er holte auch gleich die große Schere raus, wenn ein Regisseur bei anderen Szenen ein bißchen zuweit ging, und wendete damit Schaden vom deutschen Volke ab. Was weiß so ein Filmemacher wie Sam Peckinpah zum Beispiel von Kunst? Der Typ war doch so frech, Gewalt in Zeitlupe als Stilmittel seiner Machwerke zu gebrauchen. Aber nicht mit Rudolf Stefen! Er sorgte dafür, daß die Deutschen einen Film wie Getaway nie so zu sehen bekommen, wie der Regisseur ihn gemacht hat. Vor George A. Romero wurden wir auch geschützt. Dieser Perverse benutzte doch kannibalistische Monster in Großaufnahme als Methapher für ein sich selbst vernichtendes Gesellschaftssystem. Das New Yorker Museum of Modern Art kaufte den Film, Herr Rudolf Stefen verbot ihn. Dank dafür! Und Dank auch dafür, daß sie etliche Meter aus Highlander herausschneiden ließen, und aus... Ach Gott, es sind Hunderte von Filmen, in denen Sie ihre Spuren hinterlassen haben, man kann sie gar nicht mehr zählen. Was für ein grandioses Lebenswerk im Dienste der Kultur.

Ich hoffe nur, daß Sie ihre langjährige Stellvertreterin Frau Monssen- Engberding ordentlich eingewiesen haben. Aber sie hat ja auch mal drei Jahre im Bonner Gesundheitsministerium gearbeitet und ist schon von daher prädestiniert für den Job. Hoffentlich läßt sie sich nicht von den Schreihälsen beeindrucken, die ihrer sauberen Behörde immer wieder ans Bein pinkeln und von Zensur faseln. Denn in Deutschland gibt es keine Zensur. Steht doch schließlich im Grundgesetz, genauso wie das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Karl Wegmann