SPD siegt in Kohls Heimat

■ CDU-Machtverlust nach 44 Jahren/ SPD kann sich ihren Partner aussuchen

Mainz (taz) —Nach 44 Jahren CDU- Herrschaft übernehmen die Sozialdemokraten erstmals die Regierungsgeschäfte in Rheinland-Pfalz. Die SPD kam bei der gestrigen Landtagswahl auf 45 Pozent, die Union erlitt dramatische Verluste und rutschte auf 38,6 Prozent. Grüne und FDP erhielten jeweils 7 Prozent. Damit ist die Koalitionsfrage in Rheinland-Pfalz — sozial-liberal oder rot-grün — offen. Der SPD-Spitzenkandidat und künftige Ministerpräsident Rudolf Scharping wollte sich am Abend erwartungsgemäß noch nicht festlegen.

Ein Maximum an sozialdemokratischer Politikfähigkeit und die politische Zuverlässigkeit benannte Scharping als entscheidende Kriterien bei der Partnerwahl. Nach Scharpings ersten Stellungnahmen, in denen er besonders die Stabilität der zukünftigen Koalition in den Vordergrund rückte, deuteten sich leichte Vorteile für die Liberalen an. Die Grünen-Abgeordnete Gisela Bill führte den SPD-Erfolg auf die „Steuerlüge“ der Bonner Koalition zurück und fragte Scharping vor laufenden Kameras, ob er es sich jetzt leisten könne, mit einem der Steuerlügner ins Koalitionsbett zu steigen. Scharping führte den Erfolg der Sozialdemokraten auf die „klare glaubwürdige Linie der SPD“ und den „schlechten Zustand der CDU“ zurück. Er wertete die CDU-Verluste als „Niederlage für Helmut Kohl“.

Der amtierende Ministerpräsident Carl-Ludwig Wagner suchte das Ergebnis auf das „gesamtpolitische Umfeld“ zurückzuführen und sprach vom „Meinungsschock“ im Gefolge der Bonner Steuerentscheidungen. Auch der CDU- Vorsitzende Wilhelm sah die Ursachen für die Niederlage seiner Partei in Bonn: „Der Absturz kam nach der Verkündung der Steuererhöhung.“ Bis zum Februar habe die Union noch bei 45 Prozent gelegen. Der innenpolitische Sprecher der CDU- Bundestagsfraktion, Gerster, räumte ebenfalls bundespolitische Gründe für den SPD-Erfolg ein: „Ich bestreite nicht, daß es in Bonn eine Reihe von Ergebnissen gegeben hat, die sich negativ ausgewirkt haben.“ Er sprach sich dafür aus, jetzt keine Schuldzuweisungen vorzunehmen, sondern mit aller Selbstkritik an eine Ursachenforschung zu gehen. Die rheinland- pfälzische Bevölkerung habe eindeutig ein Denkzettel erteilt.

Der SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel wies in seiner ersten Stellungnahme darauf hin, daß die Wahl in Rheinland- Pfalz den fünften Regierungswechsel zugunsten der SPD in Folge gebracht habe. Damit sei die Bundesratsmehrheit der Unionsregierten Länder dahin. SEITE 2