Tugendhats Absolution für Israel-Kritiker

■ Weiter Streit an der FHSS: Philosoph Tugendhat stärkte Kritikern einer Israel-Reise den Rücken

Schöneberg. Seit Beginn des Golfkrieges streiten sich die links-alternativen Studenten und Dozenten an der Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (FHSS) über die »richtige« Einstellung zu Israel. Polarisiert wurde diese durch den Plan des Lehrbeauftragten Eberhard Schwartz. Er initiierte Ende Januar eine Studienfahrt nach Israel, um »unsere Solidarität zum Ausdruck zu bringen und den in Israel lebenden Menschen in dieser schrecklichen Zeit nicht nur mit Worten zur Seite zu stehen«.

Diese Reise brachte die FHSS zum Kochen, denn mehrheitlich hatte man sich gerade geeinigt, daß Israel eine aggressive Außenpolitik betreibe und die Palästinenser grausam unterdrücke. Eine Studienreise in dieser Situation, so ein Flugblatt, würde bedeuten, »von uns Zustimmung für den Krieg einzufordern«. Zur Reise kam es denoch, trotz aller Verhinderungsversuche des Astas und aller Anfeindungen aus dem Akademischen Senat. Zum Eklat kam es nach der Rückkehr der zehn Studenten und zwei Dozenten Ende Februar. Von »Betroffenheitsritual« und »Wiedergutmachungstourismus« war die Rede, antisemitische Töne wurden laut (siehe taz v. 26.2.). Das Klima in der FHSS wurde schneidend, der Lehrbeauftragte Eberhard Schwartz kündigte. Höchste Zeit also, sagte sich die FHSS, um die Diskussion zu »verwissenschaftlichen«.

Der Beginn dieser »Verwissenschaftlichung« fand gestern in den Räumen der Fachhochschule statt. Als einzigen Redner lud die FHSS- DozentInnengruppe den FU-Philosophieprofessor Ernst Tugendhat ein. Seine Thesen waren bekannt, in der taz hatte er den Golfkrieg als das »größte Kriegsverbrechen seit Adolf Hitler« bezeichnet, in der 'Zeit‘ den Deutschen empfohlen, den Argumenten Israels nicht blindlings zu folgen, denn dem Land seie mit einem Waffenstillstand mehr gedient. Die Zionisten, wiederholte er seine Thesen, »spielten während des Krieges mit der Schuldfrage der Deutschen«, und die Bonner Regierung »knickte« sofort ein. Kriegsbefürworter und Friedensbewegung verhielten sich gegenüber dem jüdischen Staat gleichermaßen eklatant »irrational«. Die einen lieferten Waffen und Geld, die anderen liefen auf Demonstrationen mit Palästinensertüchern herum. Die Deutschen, meinte er, sollten sich zurückhalten und bewußt Distanz halten. Warum Studenten ausgerechnet während dieses Krieges, von dem Israel politisch profitiert habe, nach Jerusalem und Tel Aviv fahren, »könne er nicht verstehen«.

Und genau auf diesen Satz hatten die Veranstalter gewartet. Deutlich wurde, daß Tugendhat nicht eingeladen worden war, damit sich Studenten an seinen Thesen reiben können, sondern, um den Kritikern die Absolution zu erteilen. Tugendhat wurde von den Veranstaltern funktionalisiert, er sollte als Jude und mit einer »wissenschaftlichen« Kritik am Zionismus nachträglich denjenigen recht geben, die sich vehement gegen die Reise der Studenten nach Israel ausgesprochen hatten. Ein Koreferat wurde nicht zugelassen, der Kritik entzog sich Tugendhat durch ostentatives Verlassen des Podiums. Vielleicht spürte er aber auch, daß er in einer internen Hochschulauseinandersetzung mißbraucht worden war. Spätestens dann, als die Dozentin Hilde von Balluseck, nach eigener Aussage »Philosemitin«, dem Wissenschaftler dankte. Sie sei, das sei ihr jetzt deutlicher als je zuvor klargeworden, immer gegen diese Reise und den Krieg gewesen. aku