Standsbild: "Ich hoffe, Sie hören mich jetzt!"

■ Wahlsendung ARD, 18 Uhr

Wenn es mehr als eine Fußball- Arena oder eine Show-Halle ist, aus der live gesendet wird, wird's schwer für's Deutsche Fernsehen. Wenn dann auch noch Schaltungen in verschiedene Studios, Interviews und Korrespondentenberichte anstehen, droht gar das Chaos: Zusammenbrechende Bild- oder Tonleitungen, falsche Einspielungen, und Moderatoren, die mit Knopf im Ohr hilferingend in die Kamera gucken — natürlich in die falsche. Zuletzt war die Schwierigkeit des deutschen TV- Beamten, spontan zu sein, zu Beginn des Golfkriegs zu beobachten. Daß kein schwerer Scheinwerfer auf dem Moderatoren-Pult einschlug, schien recht eigentlich ein Wunder.

Auch am Sonntag, in der Wahlsondersendung der ARD, hätte ein solcher Einschlag nicht überraschen können. War der Sendeleiter CDU- Mitglied und hat sich Punkt 18 Uhr in einem Anfall von Depression erschossen? Wenn nicht, bleibt nur eine Erklärung: Es war wieder einmal live, und da herrscht eben Murphys Gesetz. Moderator Nummer 1, Reinhard Kleinmann, ist nicht in der Lage, auch nur die drei Sätze der „Anmoderation“ ohne Stocken und Spickzettel zu absolvieren, Moderator 2, Cordt Felten, ist während der gesamten Sendung nur von hinten zu sehen. Der Stehtisch, um den die Interview-Partner plaziert werden, ist zu klein — die Kamera hat Mühe, den jeweiligen Sprecher einzufangen, und in der Totalen zeigt sie eine braune Joppe und zerknitterte Hosen von hinten. „Das muß der Grüne sein“, denke ich — aber es ist Felten.

Das Umschalten von der Politik zum Sport funktioniert, doch schon der zweite Film läuft ohne Ton an — vor glutroter Sonne Marlboro-Cowboys auf Fahrrädern. „Ist das jetzt Werbung?“ fragen die Kinder. Statt einer Erklärung kommt der Ton von Moderator Nummer 3, Heribert Faßbinder: „Ich hoffe, Sie hören mich jetzt.“ Der Bericht über das Fußballspiel Mailand-Florenz wird ohne Nennung des Ergebnisses kurz vor Schluß unterbrochen. „Es endete Null zu Null“, meint Faßbender und schaltet zurück zur Politik. Zu früh. Während Moderator 1 angestrengt auf seinen Zettel guckt, ist Moderator 2 noch auf Tauchstation: Er fuchtelt unter dem Tisch herum. Kaum taucht er wieder auf, endlich mal von vorne, hat auch die Bildregie gemerkt, daß er verschwunden war und auf Moderator 1 umgeschaltet. Später dann, in der Runde mit den Spitzenkandidaten, dürfen wir sie wieder von hinten bewundern: die Hose von Cordt Felten. Nicht, daß dem Zuschauer dadurch wirklich irgendein Eindruck verloren gegangen wäre — der Wahlsieger Rudolf Scharping sieht so aus wie der hessische Wahlsieger Hans Eichel mit Bart, die Bonitäts-Gesichter und -Floskeln dieses Wahlabends boten nichts wirklich Interessantes. Daß aber nach 40 Jahren Fernsehen nicht einmal Routine- Rituale wie ein Politikerinterview optisch und akustisch einwandfrei über den Bildschirm zu bringen sind — das scheint da wirklich schon spannender. Mathias Bröckers