Münchner Bauskandal weitet sich aus

Nach einem „Geständnis“ des Hauptbeschuldigten war auch beim Flughafenbau Bestechung im Spiel  ■ Aus München Karin Mayer

Es fing an wie in einem Krimi: Ein anonymer Brief ging bei der Münchner Staatsanwaltschaft ein. Geschildert wurde, wie ein städtischer Angestellter Preisabsprachen am Biertisch organisierte und sich damit ein nicht unansehnliches Einfamilienhaus erarbeitete. Das Münchner Biertisch-Kartell funktionierte so: Man setzt sich in gemütlicher Runde zusammen, bespricht, welche Firma welchen Auftrag zu welchem Preis bekommen soll. Damit die Unternehmen trotz teurer Bestechungs- und Schweigegelder ihren Gewinn einstreichen, werden unvorhergesehene Teuerungen nachgereicht. Vorliegende Angebote werden kurzerhand geändert. So wurden in München seit 1984 öffentliche Aufträge vergeben. Anfang März legte die Staatsanwaltschaft dem Zirkel um Manfred O., einem Ex-Angestellten im Baureferat der Stadt München, das Handwerk.

Die Staatsanwaltschaft konnte Punkt um Punkt die Anschuldigungen des anonymen Schreibers bestätigen. Sie durchsuchte das luxuriöse Einfamilienhaus von Manfred O., nahm ihn und drei Bauunternehmer fest. Bestechung, Submissionsbetrug, Steuerhinterziehung und Urkundenfälschung wurden im Zusammenhang mit dem Bau des KlärwerksII nachgewiesen. Noch nicht genug: Weil O. nicht länger als der „alleinige Buhmann dastehen will“, ließ er seinen Verteidiger am Wochenende „ein Geständnis“ verkünden. Die Enthüllungen von Schmier- und Bestechungsgeldern nehmen kein Ende. Aufträge beim Milliarden kostenden Flughafenbau bei Erding seien auf dieselbe Art und Weise wie beim Klärwerk vergeben worden. Dieses Wissen habe ihm rund 350.000 Mark Schweigegeld eingebracht. Zusätzlich zu über zwei Millionen Mark, die er am Münchner Klärwerk verdient hat. Untersuchungen gegen die Flughafengesellschaft (FMG) hatte die Justiz bereits im Januar eingeleitet, als erste Gerüchte über Bestechungen bei dem Großprojekt München II aufkamen. An der Gesellschaft sind die Stadt München, der Freistaat Bayern und der Bund beteiligt. Oberstaatsanwältin Ursula Lewenton konnte die Anschuldigungen gegen die Flughafengesellschaft gestern allerdings nicht bestätigen. Ihr selber liege kein konkreter Verdacht vor.

Rathaussprecher Florian Sattler hält es dagegen nicht für ausgeschlossen, daß die Praktiken beim Klärwerk Schule gemacht haben. „Erst muß die Justiz ihre Arbeit abgeschlossen haben, vorher kann man nichts sagen“, meint Sattler. Solange soll die Bestechungs- und Betrugsaffäre auch keine Auswirkungen auf das Innenleben der Stadtverwaltung haben. An Stühlen wird nicht gesägt. Auch nicht an dem des zuständigen Baureferenten. Das Motto: „Ein schwarzes Schaf unter Zehntausenden korrekten MitarbeiterInnen...“ Eine Weisung von OB Georg Kronswitter gibt an: „Wer Schmiergelder gezahlt hat, soll in Zukunft keine städtischen Aufträge mehr erhalten.“ Eine Entscheidung, die für große Konzerne — wie zum Beispiel Siemens — nicht gelten soll. Von einer Person könne man nicht auf das gesamte Unternehmen schließen, weiß Pressesprecher Florian Sattler. 16 Firmen haben sich am inoffiziellen Schacher um Aufträge beteiligt. Das Klärwerk ist seit 1988 in Betrieb. Falls sich „das Geständnis“ von Manfred O. bezüglich des Flughafens München II bestätigen sollte, sieht die Sache anders aus. Der Flughafen ist noch im Bau und soll im Mai 1992 fertig werden.