CDU-Bundesratsmehrheit passé

■ Nach dem Wahlsieg dominieren die SPD-geführten Regierungen die Länderkammer

Die radikalen Töne des designierten SPD-Chefs über die künftige Rolle der Regierungsopposition im Bundesrat verflüchtigten sich binnen weniger Stunden. Noch unter dem unmittelbaren Eindruck des Wahlsieges in Rheinland-Pfalz hatte Björn Engholm im Deutschlandfunk der Bundesregierung die „rote Karte“ angekündigt.

Montag morgen ließ er die 'Kieler Nachrichten‘ schon vermelden, die SPD werde von ihrer Mehrheit in der Länderkammer „vernünftig Gebrauch“ machen, um endlich im Norddeutschen Rundfunk die versöhnlichen Worte zu finden, für die er so beliebt ist: Die Sozialdemokraten wollten im Bundesrat keine mutwillige Parteipolitik betreiben. Lediglich in „Einzelfällen“ werde es bei „schwerwiegenden Eingriffen“ in die Interessen der Länder zu „Kontroversen“ kommen. Keinesfalls aber würden es die SPD-regierten Länder zu einer ständigen Anrufung des Ermittlungsausschusses kommen lassen.

Dagegen klingt die Ankündigung der SPD-Bundesgeschäftsführerin Anke Fuchs, die Sozialdemokraten wollten ihre neue Mehrheit im Bundesrat „intensiv nutzen“, fast wie eine Drohung. Den Bundeskanzler erklärte sie gestern vor der Presse für „fortan politisch handlungsunfähig“.

In der Tat hat die Bonner Regierungskoalition durch die Wahlniederlage vom Sonntag ihre hauchdünne Bundesratsmehrheit, die nach dem ebenfalls verlorenen Wahlgang in Hessen noch verblieben war, an die sozialdemokratisch regierten Bundesländer abtreten müssen. Ihr Vorsprung von 35 zu 33 verkehrt sich künftig auf 31 zu 37 Stimmen. Zusammen mit Rheinland-Pfalz haben dann neun Bundesländer mit jeweils drei, vier beziehungsweise sechs Stimmen sozialdemokratische Regierungschefs.

Die nominelle Mehrheit allein ist allerdings nicht unbedingt aussagekräftig, da die SPD in Hamburg und Brandenburg Koalitionen mit der FDP und in Berlin mit der CDU eingegangen ist, und hier sogenannte Koalitionsvereinbarungen das Abstimmungsverhalten im Bundesrat regeln. Bei zustimmungspflichtigen Gesetzentwürfen der Bundesregierung — das sind mehr als die Hälfte — sind diese Länder demnach nicht gezwungen, dagegen zu stimmen. In der Regel enthalten sich die koalitionsregierten Länderregierungen bei strittigen Fragen der Stimme. Für Rheinland-Pfalz hat SPD-Chef Rudolf Scharping allerdings bereits gestern angedeutet, er wolle keine Bundesratsklausel in einen Koalitionsvertrag aufnehmen. Eine generelle Stimmenthaltung bei Nichteinigung in der Koalition lehnte er kategorisch ab.

Auf einen Punkt scheint sich die Spitze der SPD bereits verständigt zu haben. Mit der frischen Mehrheit im Bundesrat soll die von der Bundesregierung beschlossene Abschaffung der Gewerbekapital- und Vermögenssteuer blockiert werden. Barbara Geier