Rotkäppchens Feuertanz

■ Postsozialistische Tips für Trinker und solche, die es werden wollen * Heute: Assel in der Oranienburger Str. 21

Sollte man am Fenster sitzen, dessen untere Kante sich übrigens in Höhe der Nasenspitze befindet, so kann man allerhand Beine vorbeistöckeln sehen. Denn gleich vor der Haustür des Cafés und Galerie Assel befindet sich Ostberlins alter/ neuer Strich: Oranienburger Straße. Abgelenkt wird man dann allerdings geschwind, denn die mörderischen Tatrazüge scheppern derart über die Gleise, daß auf den Tischen die Keramiktöpfe wackeln. Nun ja.

Frisch eröffnet hat dieses Kellergemach — vorne zwei Räumchen, hinten einer mit Klavier, eine solide Theke. Solide, mit einem leichten Hang zur Holzhüttenerotik, ist auch die Innenausstattung, so eine Art »alte Kneipe« mit blank geschrubbten Holztischen. Neben den sorgsam drapierten Stechpalmen auf den Fensterbrettern befinden sich diverse Überreste einer befreundeten Keramikwerkstatt und die nämlichen Kerzenständer wurden mit viel Mühe zu romantischen Tropfsteinen aufgekleckert.

Uwe Koch, ein Fotograf, der vorgibt, schon mal in Paris gewesen zu sein, und seine Reiseeindrücke daher einem interessiertem Publikum nicht vorenthalten möchte, nutzt den Galeriecharakter der Assel. Legt man Wert auf eine gewisse gediegene Gemütlichkeit, so sollte man in der Oranienburger Straße — gleich hinter der Synagoge — vor einem Haus haltmachen, dessen Wände der untersten Etage mit Blättern aus dem alten »Sonntag« beklebt wurden.

Was die Gemütlichkeit verspricht, muß der Service noch lange nicht halten. Das fängt damit an, daß in der Karte die Weine nicht ausgezeichnet sind: Weine nach Angebot, steht da lediglich. Also auf zur Theke und angestrengt zum obersten Regal starren, da stehen die Flaschen nämlich, und dann resignieren... Außer Rheinhessen und Retsina nichts, und beim Roten wird es gleich völlig langweilig. Wer hier ein gepflegtes Bier trinken will, muß mit Berliner Pilsener vorlieb nehmen, das, egal ob man es auf den Kopf stellt oder nicht, immer noch nicht besser ist als sein Ruf. Das Frühstück, das ab neun Uhr serviert wird, bietet keine Überraschungen, weder so noch so. Der Imbiss ist lala, aber immerhin hat eins der japanischen Nudelgerichte sich seinen zugebenermaßen niedrigen Preis redlich verdient.

Die gesamte Atmosphäre ist beschaulich, angenehm gemischt, doch man hat den Eindruck, daß langsam Schluß sein müßte mit den etwas schwerfälligen Starts diverser Kneipencrews... ja, wir fangen doch erst an... Nicht wahr? Handloik

WOCHENTAGS9-3UHR,WOCHENENDE14-3UHR