Stil ist alles

■ Pet Shop Boys live / Ohne Musiker = ohne Makel

Sie haben immer gesagt, daß sie keine Live-Band sind, und nun beweisen sie es mit einer Live- Show! Es ist faszinierend, wie konsequent die Pet Shop Boys alles, was normalerweise ein Popkonzert ausmacht, auf ein Minimum reduziert haben: Die Musiker sind ins Dunkel neben der Bühne verbannt — nur ein Gitarrist und ein Keyboarder setzen einzelne akustische Tupfer, während der größte Teil der Musik vom Band eingespielt wird.

Neil Tennant und Chris Lowe sind nicht daran interessiert, das Publikum durch Bühnenpräsenz oder instrumentale Großleistungen zu gewinnen. Mit unbewegter Miene singt Tennant seine Texte und Lowe ist nur anwesend. Manchmal drückt er ein paar Keyboardtasten, aber das Instrument hat eher symbolischen Wert, es scheint, als sei es nicht wirklich an einen Verstärker angeschlossen.

Die beiden blassen Boys haben sich genau überlegt, wo ihre Grenzen sind, und so werden sie entweder in wunderschön anzusehenden Kostümen ins rechte Licht gerückt, oder sie treten mit englischem Understatement in den Hintergrund und überlassen die Bühne den dreizehn Sänger-und TänzerInnen, die in einem verschwenderischen Aufwand an Kulissen, Masken und Lichteffekten die bekannten Songs als grandiose Shownummern in Szene setzen.

Da tanzen bei „It's A Sin“ Dracula und eine Sexbombe durch den Schlafsaal einer Knabenschule, zu „Let's Make Lots Of Money“ wackeln fette Schweine in Anzügen mit Schlips und Kragen mit ihren Bäuchen und Ringelschwänzchen. In einem anderen surrealen Setting schwenken auf der einen Seite noch russische Revolutionäre die Fahne, während am anderen Bühnenrand der Kopf eines riesigen Stalinmonuments zerschlagen wird.

Die einzelnen Nummern sind so schnell, glamourös und abwechslungsreich inszeniert wie Videoclips. Ihrem Sog kann man sich nur mit Mühe entziehen. Sie sind schön, bunt — und trivial. Das, was man von den führenden Kreativ-Büros Londons verlangen kann. Reine Popkultur, in der Stil alles ist. Genau wie die Songs der Pet Shop Boys.

Willy Taub