CIA-Folteropfer wird in Bremen behandelt

■ Nach einer Injektion in salvadorianischer Gefangenschaft fressen Egel die Lunge von Mario Nomura auf

Unter Schlägen herausgerissene Zähne, Elektroschocks an den Genitalien und das „kleine Flugzeug, bei dem das Opfer mit gefesselten Händen und Beinen an der Decke aufgehängt und dann gegen die Wand geschleudert wird“ — Mario Nomura hat in den fast drei Jahren seiner Gefangenschaft in El Salvadors Geheimdienstzentrale und Knästen den grausamen Einfallsreichtum der Foltermethoden am eigenen Leib erfahren.

Doch die herausgerissenen Zähne, der zerstörte Kiefer, der Verlust der Hörkraft auf einem Ohr und fast aller Sehkraft auf einem Auge sind nur kleine Leiden gegen die Wirkung der Lungenegel, die Mario Nomura während der Folter gespritzt wurden.

Ihre Wirkung war auch mit Nomuras Amnestierung im November 1987 nicht beendet: Langsam haben die Parasiten ihm den rechten Lungenflügel zerfressen. Um ihr weiteres Vordringen zu verhindern, wird Mario Nomura in dieser Woche im Krankenhaus Bremen-Ost am linken Lungenflügen operiert. Die Kosten übernimmt der Senat aus seinem Topf für humanitäre Hilfe, mit dem in jedem Jahr zehn bis 15 schwerkranke PatientInnen aus Länder der Dritten Welt in Bremen behandelt werden können.

Mario Nomura, als Sohn japanischer Einwanderer 1952 in Brasilien geboren, hat von Uruguay bis El Salvador auf der Seite mehrerer lateinamerikanischer Befreiungsbewegungen gearbeitet. Aus Brasilien mußte er fliehen, von Nicaragua aus ging er nach der sandinistischen Revolution freiwillig weiter nach Norden, um sich als Arzthelfer der FMLN in den Bergen El Salvadors anzuschließen.

Dort wurde er bei einer Gegenoffensive des von US-Truppen angeführten El Salvadorianischen Militärs im Januar 1985 festgenommen.

„Die ersten Verhöre führte der US-Botschafter Thomas Pickering persönlich“, erinnert sich Mario Nomura, „und während der ersten zwei Monate waren es auch ausschließlich US-Amerikaner, die mich folterten. Die Salvadorenos standen nur daneben.“ Nomura sollte unter der Folter eine Erklärung unterschreiben, daß er im Auftrag der sandinistischen Regierung Nicaraguas die Guerrilla in El Salvador geschult habe.

Als Gegenleistung wurde ihm die Freilassung versprochen. „Nachdem ich diese 'Angebote' zurückgewiesen hatte, wurde die Folter intensiver und brutalter“, erinnert sich Nomura.

In dieser Zeit müssen ihm die Lungenegel injiziert worden sein — Parasiten einer Art, die in Lateinamerika in der Natur nicht

Mario NomuraFoto: S. Heddinga

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sorgung gab es für Mario Nomura bis zum Ende seiner Gefangenschaft nicht. Doch auch nach der Amnestie im Rahmen eines Abkommens der zentralamerikanischen Regierungen mit den USA konnte er seine schwere Krankheit nicht behandeln lassen. Auf dem Weg ins nicaraguanische Exil wurde er in Costa Rica zunächst festgenommen, beraubt und erst nach einer Woche auf internationalen Druck hin wieder freigelassen.

Auch spätere Versuche, die zerstörende Wirkung der Parasiten mit einer Operation zu stoppen, scheiterten. Sowohl Kanada als auch Costa Rica und die USA verweigerten Mario Nomura in den folgenden zwei Jahren die Einreise — und das, obwohl Hilfsorganisationen auch in diesen Ländern das Geld für die dringend erforderliche medizinische Behandlung bereits gesammelt hatten.

Erst Ende 1989, vier Jahre nach Beginn der Folterungen in der Gefangenschaft, konnte schließlich die erste Lungenoperation in Mexico und die Versorgung der weiteren Folterfolgen in Dänemark vorgenommen werden.

Schlechte Erfahrungen machte Mario Nomura jedoch nicht nur mit den Regierungen. Auch die FMLN, für die er in El Salvador gearbeitet hatte, ließ ihn hängen. „Schon direkt nach meiner Verhaftung wurden Spenden für mich gesammelt, aber angekommen ist bei mir nie etwas davon“, sagt er. Die Führung der Befreiungsbewegung warf ihm vor, als Agent für die CIA gearbeitet zu haben. Erst in diesem Jahr wurde der Vorwurf von der FMLN zurückgenommen.

Mario Nomura hat nie einer Partei angehört, „aus dem Streit der Fraktionen innerhalb der FMLN habe ich mich herausgehalten“, sagt er, „aber was die Genossen mit mir gemacht haben, das war einfach entwürdigend“. Als Einzelkämpfer wehrt sich Mario Nomura nicht nur gegen den inneren Zwang der Befreiungsbewegung.

Inzwischen hat er auch die Regierung der USA verklagt. Doch die Vorbereitung des Prozesses scheiterte schon an der Tür des Pentagon. „Im Interesse der nationalen Verteidigung“ verweigerte man dort seinem Anwalt Einblick in die Akte Nomura.

Mindestens ein Jahr wird Mario Nomura jetzt in Bremen bleiben müssen, um die schwere Lungenoperation nachzubehandeln. Ob er danach zu seiner Familie ins nicaraguanische Exil zurückkehren kann, ist unsicher. Seit der Abwahl der Sandinisten ist das Aufenthaltsrecht von Flüchtlingen aus anderen zentralamerikanischen Ländern bedroht.

Dirk Asendorpf