Scheherazade-betr.: "Poetische Utopien und vage Politik", taz vom 18.4.91

betr.: „Poetische Utopien und vage Politik“, taz vom 18.4.91

Wenn Helga Lukoschat feststellt: „Scheherazade schweigt“, dann liegt das wohl daran, daß die taz ihre einzige Informationsquelle ist — und wahrhaftig, die taz schweigt. Im Unterschied zu Scheherazade; der geht es jetzt nur so wie Abertausenden von anderen Frauen, die sich spontan zu Beginn des Golfkrieges zusammengefunden haben: Ihr fehlt das große überregionale Sprachrohr. Über einen Monat war es uns nicht mehr möglich, in der taz-Scheherazade zu Wort zu kommen.

Die meisten Scheherazade-Gruppen in München, Gießen, Baden-Baden, Bremen etc. sind nach wie vor aktiv, auch wenn sie, wie wir alle, eine Zeit zum Luftholen brauchten. Die „Frauen für Frieden“ aus Gießen zum Beispiel, die sich spontan in Scheherazade umbenannten, haben sofort mit Solidaritätsaktionen auf den Flüchtlingsstrom der KurdInnen reagiert. In Bremen fand eine Scheherazade-Veranstaltung mit der Soloviolinistin Jenny Abel statt, die selbst Scheherazade von Anfang an unterstützt hat. Seit dem 1.April gibt es den Scheheraz (=kürzester Abstand zwischen Gefühl und Gedanken oder die größte Nähe zwischen zwei Köpfen) — ein Spiel mit Worten, zum Mittun und ein Versuch, uns trotz alledem unseren Humor zu erhalten. Eine Berliner Scheherazade-Frau ist für einen Monat in Ägypten unterwegs, wo sie unter anderem eine Scheherazade-Veranstaltung organisiert hat, die Brücken schlagen soll. Drei von uns fahren demnächst auf Einladung der „Frauen in Schwarz“ nach Israel und in die besetzten palästinensischen Gebiete. Am 13.Mai erscheint der erste 'Newsletter‘ in deutsch und englisch, der das aus mittlerweile fast 2.000 Adressen bestehende weltweite Netzwerk lebendighalten soll.

Doch, ja, wir reden, aber jetzt scheint uns nicht einmal mehr die taz zuzuhören, finstere Zeiten, wahrlich.

Und was unseren „neuen“ Aufruf betrifft: Er dient nicht zur Unterschriftensammlung für den Frauen- Weltsicherheitsrat. Letzteres ist eine von vielen Scheherazade-Aktivitäten. Er ist eine Aufforderung, Stimmen gegen Krieg, Gewalt und Völkermord und für eine Entmilitarisierung der Welt zu sammeln — mit diesem Aufruf oder mit anderen Aufrufen, von anderen Frauen formuliert. Wir bieten uns als Anlauf- und Sammeladresse an (und nur so sind auch die angegebenen Adressen zu verstehen). Die Stimmen sollen zusammengetragen werden, damit es am 15.1.92 ihrer Millionen sind, die in den Korridoren der UNO und den Gehörgängen unserer werten RegierungsvertreterInnen widerhallen.

Informationen ab 1.5.91 über die redende Scheherazade, Aufruf, Memorandum, Scheheraz sowie Kontaktadressen zu Scheherazade- Frauen in anderen Städten sind zu erhalten bei: Gabi Mischkowski, Johanniterstr. 35/37, 5000 Köln 80, Telefon: 0221/69 63 57