Und Kohl sprach, es werde Berlin

■ Regierungssitz Berlin verspreche „bessere Chancen für das Zusammenwachsen“/ Bundestag entscheidet am 20. Juni

Berlin (taz) — Entsetzen auf dem Bonner Marktplatz, Nörgelei auf dem Alexanderplatz Berlin — das ist das Ergebnis einer ersten Blitzumfrage: Kohl hat sich, wie vor Wochen angekündigt, kurz nach der Wahl in Rheinland-Pfalz zur Frage des Regierungssitzes geäußert. Berlin soll es sein, allerdings nicht sofort. Einen Umzug in kürzerer Frist als 10 bis 15 Jahren werde er als nicht finanzierbar ablehnen. Das sagte er als „einfacher Abgeordneter“, aber der historische Anspruch ist deutlich.

Die endgültige Entscheidung wird Mitte Juni fallen. In einem Spitzengespräch einigten sich Bundespräsident, Kanzler, Oppositionschef, Bundestagspräsidentin und Bundesratsvorsitzender Henning Voscherau gestern abend über die Prozedur: Am 20. Juni wird der Bundestag grundsätzlich zwischen Bonn und Berlin entscheiden, möglichst am Tag darauf soll der Bundesrat dasselbe tun. Danach werde das Gesetzgebungsverfahren in Gang gebracht, sagte Rita Süssmuth als Sprecherin der versammelten Verfassungsorgane.

Kohls Votum wird als gewisse Vorentscheidung gewertet und stieß bei Bonn-Befürwortern auf heftigen Widerspruch. „Ablenkung“ vom Wahldesaster sei das Motiv Kohls, sagen einhellig Gerhart Baum (FDP), Ingrid Matthäus-Maier (SPD), Werner Schulz (Wahlbündnis 90). Der rheinland-pfälzische Wahlsieger Scharping wittert Rache für die CDU- Niederlage. NRW-Ministerpräsident Rau sieht noch eine Mehrheit für Bonn. SEITEN 4 UND 21