SOIL

Man sollte die Scharen junger gitarrespielender deutscher Männer aus der ostfriesischen Marsch und dem Weserbergland ruhig einmal daran erinnern, daß Minneapolis und alle möglichen anderen amerikanischen Städte, in denen Bands wie Hüsker Dü, Dinosaur Jr. oder R.E.M. aus dem Boden geschossen sind, vom Bild der Industrie und nicht dem des wilden Westen in der weiten Prärie geprägt wurden. Dieses ganze beherzte Amitum fußt auf Stahl und Erz und nicht auf Wiesen. Vielleicht sprechen dagegen Soil mit ihrer Herkunft für sich selbst — in stillem Einverständnis mit den Vorbildern aus den Staaten.

Soil, das ist Gelsenkirchen, Ruhrpott, und da lag früher mal unter dem Erdboden, der im Englischen dem Bandnamen Pate gestanden hat, der Schacht zu Kohle und Erz, der viel Arbeit für die Kumpels im Untertagebau bedeutete. Nun sind die Zechen fast allesamt stillgelegt, aber das mühevolle und staubige Wühlen in der Tiefe ist in den Songs von Soil hängengeblieben.

Sie graben und ackern im »Zwiespalt zwischen Aggressivität und Melancholie«, was sie zutage fördern sind poppende Edelmetalle. Ihre Single »Anyway« klingt wie ein in zäher Strenge geformter Schatz. Aus einem Wust von klirrenden Gitarren und großschlächtig grummelndem Baß entwickeln sie infernalisch angelegten Lärm zu ungefärbt schönen Melodiekörpern, deren Grauwert konturenreicher als eine psychedelische Perlenkette anmutet.

Zur Zeit von »Candy Apple Grey« waren Hüsker Dü allein in der Lage, solche extremen Anfälle von Bombast und Chaos zu kompensieren. Da waren sie für den Herzens-Spexler Michael Ruff der einzig wahre Steinschlag, der mit Hardcore ins Rollen kam. Soil können auf der um eine halbe Dekade vorgestellten Uhr dem ergrauenden Schreiberwolf Ruff wie auch Neil Young und Nikki Sudden gefallen, genauso wie Ohrenbetäubern auf Trash. Die werden nachtschwärmend routiniert das Niagara bevölkern. Das sollte Herzensdamen und -herren nicht abschrecken, die Seele bleibt bei Soil selbstredend im Spiel. (um 24 Uhr im Niagara) Harald Fricke