Offener Brief

■ Die Rechte der Flüchtlinge müssen geschützt werden" (Betr.: "Kein BAföG für asylberechtigte IranerInnen", taz vom 9.4.91)

Die Rechte der Flüchtlinge müssen geschützt werden!

(betr.: „Kein BAföG für asylberechtigte IranerInnen“,

taz vom 9.4.91)

Seit dem Waffenstillstand nach dem iranisch-irakischen Krieg wird in deutschen Medien kaum mehr über die politische und wirtschaftliche Lage im Iran berichtet. So entsteht der Eindruck, die Situation im Land habe sich „normalisiert“.

Tatsächlich jedoch werden Oppositionelle nach wie vor unterdrückt. Es gibt keine freie Presse im Iran, Regimegegner werden verfolgt, gefoltert, hingerichtet. So wurden zum Beispiel noch vor wenigen Monaten im Norden Irans Dutzende politischer Gefangene unter dem Vorwand hingerichtet, sie seien Drogenhändler.

Da die Bundesrepublik stark daran interessiert ist, am Wiederaufbau des Landes nach dem iranisch- irakischen Krieg beteiligt zu werden, bemüht sie sich um die Vertiefung der Beziehungen zur iranischen Regierung. Dies wurde auch vor ca. einem Monat beim Deutschland-Besuch des iranischen Außenministers Welajati deutlich, als bekanntgegeben wurde, daß 1990 die deutschen Exporte in den Iran (darunter Grundstoffe der chemischen Industrie und Militärgüter) im Vergleich zu den Vorjahren um 66 Prozent gestiegen sind.

Vor diesem Hintergrund wurde vor kurzem in Bonn die Entscheidung gefällt, daß asylberechtigte iranische Studenten und Studentinnen keinen Anspruch auf Unterstützung nach BAföG haben, wenn sie nicht ausdrücklich nachweisen können, daß ihre Angehörigen im Iran nicht in der Lage sind, ihnen die Ausbildung zu finanzieren. Von den iranischen Ayslberechtigten wird verlangt, daß sie ein Formular an ihre Angehörigen schicken, in dem diese ihre Einkommensverhältnisse offenlegen müssen.

Dabei wird außer acht gelassen, daß die Asylberechtigten mit einem solchen Schritt sich selber und ihre Familien im Iran in Gefahr bringen würden. Da die Post aus dem Ausland kontrolliert wird, kann das iranische Regime sich auf diese Weise über den Aufenthaltsort der Flüchtlinge im Ausland und ihre Lebensverhältnisse informieren; gleichzeitig kann es in Erfahrung bringen, wo die Angehörigen der Oppositionellen im Iran leben. Diese werden damit der Gefahr ausgesetzt, wegen Unterstützung von Regimegegnern im Ausland (nämlich ihrem eigenen Sohn oder ihrer eigenen Tochter, die als Flüchtlinge in Deutschland leben), verfolgt und unter Druck gesetzt zu werden.

Tatsächlich sind bereits zahlreiche Fälle bekannt, in denen Familienangehörige vom islamischen Regime deportiert wurden, weil Oppositionelle geflüchtet waren. Aus diesen Gründen haben viele Flüchtlinge seit langem keinen Kontakt mehr mit ihren Familien im Iran. Wie kann man unter diesen Umständen erwarten, daß die Asylberechtigten einen Einkommensnachweis der Angehörigen beschaffen? Noch nie wurde von Flüchtlingen derartiges verlangt.

Im März 1991 wurde seitens der islamischen Republik Iran das Kopfgeld auf den Schriftsteller Salman Rushdie verdoppelt. Wie können Flüchtlinge unter diesen Umständen hoffen, unbehelligt zu bleiben, wenn ihr Aufenthaltsort, ihre Lebensverhältnisse und ihre politischen Tätigkeiten bekannt werden?

Die Entscheidung des Bundesbildungsministeriums in bezug auf das BAföG stellt eine Verletzung der Rechte der Flüchtlinge dar. Der Flüchtlingsstatus verliert damit seine Bedeutung. Flüchtlinge leben ohnehin in einer politisch wie psychisch schwierigen Situation. Durch die Streichung des BAföG wächst der auf ihnen lastende ökonomische und damit auch der psychische Druck. Wenn sie ihr Studium aufgrund finanzieller Schwierigkeiten abzubrechen gezwungen sind, stehen sie ohne Unterstützung auf der Straße.

Die Tatsache, daß es bereits öffentliche Kritik an der Entscheidung des Bundesbildungsministeriums gegeben hat, macht deutlich, daß die Situation der asylberechtigten iranischen Studenten äußerst kritisch geworden ist. Wir appellieren an alle Menschen, die Verständnis für unsere schwierige Lage haben, gegen die Entscheidung des Bundesbildungsministeriums zu protestieren und unsere Forderungen zu unterstützen. Wir fordern:

—öffentliche Kritik an der Entscheidung des Bundesbildungsministeriums; diese Entscheidung öffnet dem islamischen Terrorregime im Iran weitere Möglichkeiten der Verfolgung und Unterdrückung politisch Andersdenkender im Ausland.

—Eine sofortige Rückgängigmachung der neuen Bedingungen für die Gewährung von BAföG an asylberechtigte iranische Studenten! Kein Einkommensnachweis von Angehörigen politisch Verfolgter! Man kann nicht von uns verlangen, daß wir uns und unsere Familien in Gefahr bringen. 43 iranische Studenten

in Heidelberg