Wird Baker geshultzt und gekissingert?

■ Die Nahost-Diplomatie der USA schlingert durch die politischen Untiefen der Region

Wird Baker geshultzt und gekissingert? Die Nahost-Diplomatie der USA schlingert durch die politischen Untiefen der Region

Seit sieben Wochen reist US-Außenminister Baker nun schon mit Unterbrechungen durch die Staaten des Nahen Ostens. Über mangelnde Aufmerksamkeit für seine Aktivitäten kann er sich nicht beklagen. „Durchbrüche“, „Teilerfolge“ wurden ihm wiederholt beschieden. Doch ein Blick auf die Liste der Fragen, über die Baker während seiner nunmehr dritten Runde verhandelt hat, läßt für diejenigen Beobachter, die auf eine langfristig tragfähige Lösung des Nahostkonflikts durch einen israelischen Rückzug aus den besetzten Gebieten gehofft haben, schon jetzt nur einen Schluß zu: Thema verfehlt.

Die israelische Regierung hat die Baker-Mission nach kurzer Verunsicherung zum Anlaß genommen, ganz klar zu machen, daß sie weder besetzte noch annektierte Gebiete aufzugeben bereit ist. Und die US-Regierung hat bislang keinerlei Anstalten gemacht, die finanzielle Abhängigkeit Israels von den USA zu nutzen, um Israel nach den Kriterien internationalen Rechts in die Pflicht zu nehmen. Daran haben die hochtönenden Beschwörungen der bindenden Wirkung von Beschlüssen des UN-Sicherheitsrates während der Golfkrise offenbar nichts geändert.

Es geht in Bakers Nahost-Gesprächen mittlerweile um die Modalitäten einer „Regionalkonferenz“, deren Besonderheit darin besteht, daß sie nicht unter dem Vorsitz der UNO und — so wird daraus von Israel abgeleitet — nicht auf der Basis der UN-Resolutionen 242 und 338 stattfinden wird. Es geht zweitens darum, Konsens über die „Zweigleisigkeit“ jener Verhandlungen herzustellen, die einer solchen, lediglich eröffnenden „Regionalkonferenz“ folgen sollen. Das heißt: bilaterale Verhandlungen Israels mit den arabischen Staaten einerseits und andererseits mit einer „Vertretung der Palästinenser“, die diesen Namen kaum verdient, da die PLO außen vor bleiben soll.

Gegenstand dieser Verhandlungen soll der schon einmal gescheiterte „Autonomie-Plan“ aus der Zeit des Camp-David-Abkommens sein. Darin war die Einrichtung kommunaler „selbstverwalteter“ Enklaven in den besetzten Gebieten vorgesehen, die der Logik der israelischen Siedlungspolitik auf unabsehbare Zeit unterworfen bleiben. In den bilateralen Verhandlungen mit den arabischen Staaten hofft die israelische Regierung, zumindest rudimentäre diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen mit den anderen Staaten des Nahen Ostens herzustellen, ohne sich auf das Prinzip „Land gegen Frieden“ einlassen zu müssen. Vor allem der arabische Wirtschaftsboykott gegen Israel soll ein Ende haben, der schwelende Konflikt über die Verteilung des knappen Wassers könnte verhandelt werden, auch regionale Rüstungskontrollverhandlungen wären mittelfristig denkbar. Die arabische Politik der Nichtanerkennung Israels würde damit an Substanz verlieren — und folglich auch an „Erpressungspotential“ zugunsten palästinensischer Interessen, auf das die PLO so lange gesetzt hat.

Vor allem jene arabischen Staaten, die den größten Teil der palästinensischen Flüchtlinge 1948 und 1967 aufzunehmen hatten, werden durch Bakers Initiative vor eine schwierige Alternative gestellt: Entweder reichlich fließende Wirtschafts- und Militärhilfe aus dem Westen und womöglich aus den Golfstaaten als Belohnung für eine Politik, die große Teile ihrer Bevölkerungen als „Verrat“ brandmarken werden, oder Zunahme der wirtschaftlichen Schwierigkeiten bei Fortsetzung ihrer wirkungslosen, aber immerhin gemeinschaftsstiftenden antiisraelischen und propalästinensischen Rhetorik.

Ein solcher Versuch hätte vor der Golfkrise kaum eine Chance gehabt. Die USA suchen ihren nunmehr gestärkten Einfluß auf die arabischen Staaten zu nutzen. Doch könnte die Baker-Initiative daran scheitern, daß sich vor allem die syrische Regierung solange querstellen wird, wie eine Rückgabe der Golan-Höhen von der israelischen Regierung nicht in Betracht gezogen wird. Kaum weniger virulent für die Syrer dürfte die Frage der sogenannten „israelischen Sicherheitszone“ im Südlibanon sein.

Daß sich Baker — außerplanmäßig — mit dem sowjetischen Außenminister beraten hat, deutet an, daß er womöglich doch noch „geshultzt“ oder „gekissingert“ wird, wie es ein US-Regierungssprecher unter Anspielung auf frühere gescheiterte US-Initiativen ausdrückte. Sollte es ihm gegen alle schlechten Aussichten jedoch gelingen, Israel und die Regierungen seiner arabischen Nachbarstaaten an einen Tisch zu bekommen, könnte dies den USA in doppelter Hinsicht Vorteile bieten: Eine Auflösung der regionalen Isolation des strategischen Bündnispartners Israel, die dem bislang ungelösten israelisch-palästinensische Konflikt geschuldet ist, und damit die Aufhebung einer alten Schwierigkeit der US-Nahost-Politik: mit untereinander verfeindeten Bündnispartnern arbeiten zu müssen.

Ein Gelingen von Bakers Mission würde die vorhandenen zwischenstaatlichen Konflikte lediglich in innenpolitischen Sprengstoff umwandeln. Zu seiner Entschärfung hätten vor allem Syrien und Jordanien auf die befriedende Wirkung wirtschaftlichen Aufschwungs und auf die repressive Macht ihrer Geheimdienste zu setzen.

Die Leidtragenden wären dabei zum einen die mehrheitlich staatenlosen Palästinenser in den Flüchtlingslagern des Nahen Ostens, zum anderen die Bewohner der israelisch besetzten Gebieten. Letztere sind wirtschaftlich ruiniert und politisch erschöpft. Vermutlich bleibt ihnen fürs erste nichts anderes übrig, als nach dem Strohhalm von Bakers Initiative zu greifen, sei er auch noch so dünn. Nina Corsten