Iran öffnet das Tor zum Westen

Der ehemalige „große Satan“ USA wird Hilfsgüter liefern/ Auch BRD errichtet Kurden-Hilfsstützpunkt  ■ Von Beate Seel

Die Bemühungen des iranischen Präsidenten Ali Akbar Haschemi Rafsandschani, die Beziehungen seines Landes zum Westen zu verbessern, sind einen großen Schritt vorangekommen. Zum ersten Mal seit der gescheiterten Geisel-Befreiungsaktion im April 1980 und den Schattengeschäften der Iran-Contra-Affäre werden demnächst wieder US-amerikanische Flugzeuge in der Islamischen Republik landen, um Zelte, Nahrungsmittel und Medikamente für die kurdischen Flüchtlinge aus dem Irak zu liefern.

Die USA, von den Revolutionären in Teheran als „großer Satan“ verteufelt, kündigten am Montag die Entsendung entsprechender Hilfsgüter an. Der Iran hatte der US-Administration am Wochenende über Schweizer Mittelsmänner eine Liste mit benötigten Dingen übergeben. Bislang haben die USA ihre Hilfe für die Flüchtlinge auf die Türkei und den Nordirak konzentriert. Doch über die Kanäle der internationalen Organisationen gelangten bereits Lieferungen aus den USA in den Iran.

Auch die Bundesrepublik richtet jetzt eine Luftbrücke mit Hilfsgütern in den Iran ein. In der Stadt Bachtaran sind die ersten 87 von 200 Bundeswehrsoldaten eingetroffen, die dort einen Stützpunkt für die deutsche Kurdenhilfe einrichten sollen. Von dort aus sollen die dringend benötigten Hilfsgüter dann mit Hubschraubern an die Grenze gebracht werden.

Mit den deutschen Soldaten wird erstmals eine Bundeswehreinheit in einem nicht der Nato angehörenden Land stationiert. Sie sind zugleich die ersten westlichen Soldaten, die nach dem Sturz des Schah-Regimes im Jahre 1979 im Iran offiziell zum Einsatz kommen. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, denn die BRD war in den Zeiten der internationalen Isolation des Khomeini-Regimes das westliche Land, das den besten Kontakt zu Teheran unterhielt. Als erster Außenminister eines EG-Staates reiste Bundesaußenminister Genscher im Juli 1974 nach Teheran. Anfang Mai wird er erneut in der iranischen Hauptstadt erwartet.

Während die deutsche Hilfe für Kontinuität steht, signalisieren die US-amerikanischen Lieferungen eine Wende in den bilateralen Beziehungen. Der Iran hatte sich bereits während der jüngsten Golfkrise um einen Kurs der Neutralität und Vermittlung bemüht, in der Hoffnung, auch bei einer „Nachkriegsordnung“ ein gewichtiges Wort mitzureden. Doch die Gesprächsachse Teheran-Bagdad-Moskau brachte letztendlich keine Resultate, und die Orientierung der USA auf die arabischen Partner der Allianz und den klassischen Nahostkonflikt ließen zunächst keinen Raum für die Teheraner Ambitionen. Die Chance, das Tor zum Westen weiter aufzustoßen, ergab sich vielmehr, nachdem Iran angesichts der Aufstände im Irak einen härteren Kurs gegenüber Saddam Hussein einschlug und den Flüchtlingen die Grenze öffnete.

Gleichzeitig hatte der Golfkrieg gezeigt, daß der Einfluß der sogenannten „Radikalen“ in der iranischen Bevölkerung geringer geworden ist. Der Ruf nach verbesserten Lebensbedingungen wird lauter, und für den Wiederaufbau der in acht Jahren Krieg mit dem Irak zerstörten Infrastruktur werden ausländische Investitionen dringend benötigt.

Bis die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern, die 1979 abgebrochen worden waren, wieder normalisiert werden, dürfte noch einige Zeit vergehen. Die zentralen Streitpunkte wie die eingefrorenen iranischen Gelder in den USA, die Unterstützung des internationalen Terrorismus und vor allem die im Libanon von radikalen Schiitengruppen festgehaltenen Geiseln sind bislang noch keineswegs ausgeräumt.

Doch auch hier sind die Fronten in Bewegung geraten. Im Zuge der irakischen Invasion in Kuwait konnten siebzehn schiitische Fundamentalisten aus dem Gefängnis entkommen, die dort wegen mehrerer Anschläge einsaßen. Hinter den Kulissen laufen bereits Kontakte über Schweizer, türkische und andere Mittelsmänner. Nach Angaben Rafsandschanis kam es in den Niederlanden auch zu direkten Gesprächen zwischen iranischen und US-amerikanischen Vertretern in der Geiselfrage. Eine Variante, die nach amerikanischen und israelischen Angaben derzeit in der Diskussion ist, besteht darin, den libanesischen Geiselnehmern ihre Sicherheit zu garantieren und ihnen eine gewisse finanzielle „Unterstützung“ aus den eingefrorenen iranischen Geldern zukommen zu lassen.

US-Präsident George Bush hatte letzte Woche noch Hilfslieferungen für die im Iran gestrandeten Flüchtlinge mit der Freilassung der zwölf westlichen Geiseln im Libanon verknüpft. Jetzt heißt es in Washington, daß die Aufnahme von humanitärer Hilfe nicht an politische Bedingungen gebunden sei. Doch letztendlich ist sie nur möglich geworden, weil in die Geiselfrage bereits Bewegung geraten ist.