Eine kurdische Contra gegen Saddam Hussein?

Bagdader Befürchtungen angesichts der Kurdenpolitik der USA: Bei der Niederwerfung der Schiitenaufstände im März ließen die Amerikaner die irakische Armee gewähren — nun jedoch setzt Washington wieder auf den Sturz des Regimes  ■ Aus Bagdad Khalil Abied

Die irakische Regierung ist sich offenbar bewußt, daß sie ihr Überleben angesichts der schiitischen Aufstände im März den USA verdankt, die es der irakischen Armee durch ihre schnelle Feuereinstellung ermöglichten, sich auf die Niederwerfung der Rebellen zu konzentrieren. Dies geht aus Aussagen hochrangiger irakischer Politiker in Bagdad hervor.

„Bagdads einziger Sieg war der über die Aufstände im Nord- und im Südirak und selbstverständlich gegen die kurdische und schiitische Opposition, die diese Unruhen angeführt hat“, meint ein Politiker, der nicht genannt werden will. „Man spottet bereits darüber, daß die USA sogar bei diesem Sieg die entscheidende Rolle gespielt haben.“

Nicht zuletzt die intensive iranische Einmischung im Südirak sei für den Entschluß des US-Präsidenten ausschlaggebend gewesen, die Bodenoffensive bereits nach drei Tagen einzustellen, verlautete aus einer anderen Quelle. Mehrere 1.000 schwer bewaffneter proiranischer Rebellen seien vom „Hohen Rat für die islamische Revolution“, von der Dawa- Partei und der „Islamischen Aktions- Organisation“ während des Krieges aus dem Iran in den schiitischen Süden des Irak eingeschleust worden.

„Die Schiiten konnten so immerhin für zwei Wochen die großen Städte des Südirak unter ihre Kontrolle bringen — und damit war für die USA die rote Linie überschritten“, erklärt der Politiker seine Theorie. Selbstverständlich hätten die USA den Iran nicht als einen Gewinner des Krieges sehen wollen.

Hätte man dem Iran die Kontrolle über den Südirak überlassen, wäre das Kräftegefüge in der Region gravierend erschüttert worden. „Der Iran wäre damit zu einer der stärksten regionalen Mächte aufgestiegen und hätte außerdem plötzlich eine gemeinsame Grenze mit Saudi-Arabien und mit Kuwait gehabt. Damit wäre der Agitation Teherans gegen die saudische Herrscherfamilie Tür und Tor geöffnet worden.“

Das Ende der Bodenoffensive habe es der irakischen Führung ermöglicht, „einen Teil der Republikanischen Garde zu befreien und anschließend gegen die Aufständischen einzusetzen. Die USA hätten „tausend Methoden“ gehabt, um die irakische Armee zu stoppen, „aber dieses Mal haben uns die Amerikaner Gott sei Dank beschützt. Die Rebellenführer wurden von dieser Entscheidung überrascht. Sie begaben sich zu den US-Militärs in der Gegend von Nassirija und baten um Hilfe. Die Amerikaner sagten ihnen: ,Wir können nichts machen.‘“

Nachdem die verbleibenden irakischen Truppen „ihre Aufgabe“ im Südirak erfüllt hätten, seien sie in den Nordirak geschickt worden. In den Kämpfen mit den Kurden habe es „unerwartet schnelle Erfolge“ gegeben. Man habe die Schwierigkeiten bei weitem überschätzt und mit monatelangen Kämpfen gerechnet.

Der Krieg in Kurdistan sei am 28.März entschieden worden, in der Schlacht um Kirkuk. Starke Einheiten der Republikanischen Garde hätten unorganisierten und im Stellungskrieg unerfahrenen kurdischen Partisanen gegenübergestanden. Nach zwei Tagen seien die Rebellen in die Berge geflohen und hätten so den irakischen Truppen den Weg in die anderen kurdischen Städte gebahnt.

Während ihres Rückzuges, so die Erklärungen in Bagdad weiter, hätten die kurdischen Rebellen Gerüchte eines bevorstehenden irakischen Chemiewaffeneinsatzes ausgestreut und eine Massenpanik erzeugt. Dies erkläre die Flucht von Millionen in die türkischen und iranischen Grenzgebiete.

„Unser schneller Erfolg hat auch die USA überrascht“, sagt der Politiker. „Sie hatten diesen Kampf nutzen wollen, um auf diesem Wege das Regime in Bagdad weiter zu schwächen und es zu Zugeständnissen zu zwingen.“

In Bagdad würde nun befürchtet, die USA wollten aus den Kurden in den Flüchtlingslagern eine „Contra“ oder „Mudschaheddin“-Truppe nach afghanischem Vorbild bilden, um den Krieg gegen den Irak weiterzuführen. „Das Hauptziel für die Amerikaner ist der Sturz von Saddam Hussein. Bleibt Saddam an der Macht, werden die USA ihre Forderungen niemals ändern.“

Daher ist man in Bagdad auch durchaus zu einem Ausgleich mit den Kurden bereit. „Es ist besser, den Kurden nachzugeben als den USA. Die kurdischen Organisationen wollen nicht den Sturz der Regierung. Sie wollen eine volle Autonomie, und sie akzeptieren das Autonomieabkommen von 1970. Aber sie sind gegen das Machtmonopol der Baath- Partei in Kurdistan.“

Der Regierung nahestehende Quellen berichten weiter, daß ein Abkommen zwischen Bagdad und der Talabani-Delegation in den nächsten Tagen zu erwarten ist. Hauptpunkt eines solchen Abkommens: eine Teilung der Macht in Kurdistan zwischen der Baath-Partei und den kurdischen Parteien.

„Wir machen all diese Verzichte, um die politische Isolation des Irak zu beenden“, sagte der Politiker. „Aber die USA lassen uns keine Zeit. Wir hetzen von einem Konflikt zum anderen.“