Abhörverdacht in der Gauck-Behörde

■ Tefonleitung der Stasi-Behörde konnte angezapft werden/ Dubiose „Umwegschaltung“

Berlin (taz) — Die Telefonate des Sonderbeauftragten der Bundesregierung, Joachim Gauck, sind möglicherweise von ehemaligen Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) abgehört worden. Die technischen Voraussetzungen dafür waren auf jeden Fall noch bis vor kurzem vorhanden. Alle Gespräche, die der Chef der Stasi-Akten- Behörde über seine im Januar neu eingerichte West-Leitung führte, wurden über einen ehemaligen „MfS-Schaltpunkt“ vermittelt, der nach Ausagen von Mitarbeitern der Telekom auch noch von früheren Mitarbeitern des MfS bewacht wurde. Nicht nur, daß die Telefonate des Sonderbeauftragten, etwa die mit dem Bonner Innenminister, abgehört werden konnten. Der dubiose Schaltpunkt befindet sich zudem in einem ehemaligen Stasi-Gebäude, das heute von der Berliner Außenstelle des Bonner Innenministeriums genutzt wird. Der Referatsleiter bei der Berliner Oberpostdirektion, Grädler, bestätigte einen entsprechenden Bericht der „Berliner Zeitung“.

Auslöser der Post-Ermittlungen war der Verdacht des Sonderbeauftragten, sein Privatanschluß werde möglicherweise überwacht. Als die Telekom daraufhin im Februar auf Antrag der Gauck-Behörde die Telefonleitungen der Stasi-Nachlaßverwalter überprüfte, stießen ihre Mitarbeiter in der nahegelegenen Ministeriumsaußenstelle auf den entschiedenen Widerstand des früheren Stasi-Offiziers Günter Grüneberg. Der 39jährige war dort mit Abwicklung des alten „Sonderfernmeldedienstes der DDR-Regierung“ befaßt. Grüneberg — ehemaliger Mitarbeiter der Abteilung „N“ (Nachrichten) des MfS — verwehrte den Post-Experten den Zutritt zu dem Raum, in dem sie die Einspeisung der Gauck-Leitung in das Fernsprechnetz vermuteten. Es dauerte einen Tag, bis sich die Telekom-Mitarbeiter den Zutritt verschaffen konnten. Anschließend konnten sie nur noch feststellen, daß die Leitung technisch völlig unsinnig über eine Umwegschaltung in Schäubles Berliner Außenstelle führte. An dem Schaltpunkt stießen die Post-Experten zudem auf ein zweites Telefonnetz, das nach Grädlers Worten zu Stasi-Zeiten augenscheinlich den Zweck hatte, „Gespäche abzuhören“.

Die Ermittlungen laufen nun bei der Berliner Staatsanwaltschaft. Daß sich möglicherweise auch westdeutsche Stellen wie der Verfassungsschutz für Gaucks Gespräche interessiert haben könnten, wurde vom Innenministerium als „absurde Unterstellung“ zurückgewiesen. Wolfgang Gast