■ Lilo Wanders mal ganz anders — Ernie Reinhardt auf der magnus-Party III

»magnus?«, fragt sich der gewöhnliche Homosexuelle, »ist das nun ein schwules Monatsmagazin oder ein neuer Veranstaltungsservice?«. Ganz einfach: Beides! Hat doch magnus-Geschäftsführer Bernd Offermann kein anderes Hobby, als von seinem Schreibtisch aus ein Kulturprogramm nach dem anderen zu organisieren. Hört man aus der Bewegung zwar, die Zeitschrift habe sich auf Mittelmaß eingependelt, versprechen die magnus-Veranstaltungen unumstritten Qualität: Zum einen ein Stelldichein der Berliner Homo-Prominenz mit Sehen und Gesehenwerden, zum anderen brachten sie bereits namhafte Künstler wie Bruce Hopkins und Pelle Pershing nach Berlin.

Special guest auf dem dritten magnus-Fest am Sonntagabend im Quartier ist Ernie Reinhardt, besser bekannt als die reizende Assistentin der Hamburger Schmidt-Show Lilo Wanders. Die gealterte Diva (Jahrgang 11), der es im Grundbuch des gleichnamigen Reeperbahn-Theaters verbrieft ist, jederzeit aufzutreten, ist einer der Lichtblicke des 3. Fernsehprogramms, das die Shows live überträgt.

»Ich heiße Lilo Wanders, wenn ihr wollt nennt mich auch anders.« Von ihrem Visitenspruch macht Frau Wanders auf der magnus-Party Gebrauch. Ernie Reinhardt schlüpft in die Person von Sally Starmix und zeigt — von Terry Truck mimisch und am Klavier begleitet — Auszüge seines neuen Programms »Ausziehn! Ausziehn!«.

Sally Starmix, das sind drei Rollen in einer. Zum einen die Tunte Sally selbst, bürgerlich Ingo, ein Versicherungsvertreter in mittleren Jahren, der sich mit Auftritten bei Betriebsfeiern und Geschäftseröffnungen über Wasser hält. Immer hat Sally einen flotten Spruch parat, plaudert und singt sich wehmütig und ironisch zugleich durch ihren Arbeitsalltag und die reiche Vielfalt schwulen Lebens: Über Kleinbürgerspießigkeiten und dröge Politschwestern genauso wie über Hannelore Kohl. Dem entgegen steht Sallys Lebenspartnerin Elke, eine frustierte Kindergärtnerin, die auf dem Höhepunkt ihres Auftritts Herbert Grönemeyers »Kinder an die Macht« ein bitterböses »Kinder an die Wand!« entgegenschmettert. Dritte Figur schließlich ist Sallys Mutter Charlotte, eine Graue Pantherin aus Passion und lebende Parabel wider das Resignieren. Daß zuguterletzt gerade sie noch in die Kleider Lilo Wanders' schlüpft (sie kaufte ihr die Auftrittsrechte ab), rundet die Show hervorragend ab. Hemmungslos verquickt Ernie Reinhardt all seine Charaktere miteinander und läßt sie haarscharf an seiner eigenen Wirklichkeit vorbeischrammen.

Was letzteres ganz konkret bedeutet, ist in Schwulenmagazinen selten zu lesen. Das überrascht jedoch nicht. Die »lebende Geschichte der Schwulenbewegung«, wie ein magnus-Autor Ernie Reinhardt noch in der jüngsten Ausgabe nannte, ist wie Sally Starmix seit mehreren Jahren verheiratet und lebt mit Gattin und Kindern glücklich und zufrieden in Hamburg zusammen.

magnus-Party III am Sonntag um 21 Uhr im Quartier, Showbeginn um 22.30 Uhr, anschließend Disco bis 4 Uhr mit DJ Veit Kenner. Micha Schulze