The Mekons

■ Urlaubsverschiebungsmitmachzwang

Das Licht geht an, der Blick wird frei auf ein multipersonelles Gewühl auf der Bühne. Fiddelklänge leiten das erste Stück ein, das sich zu einem Bass-Banjo-Trommel-Flöten- Whiskeygesang-Tumult ausbreitet. Hinter dem Boxenturm links lugt in rhythmischen Abständen ein Geigenbogen hervor, dessen Auftauchfrequenz sich bei solistischen Einsätzen verdoppelt. Während das Publikum allmählich in Bewegung gerät, sich Lautstärke und Geschwindigkeit der Darbietung erhöhen, verharrt das Mysterium hinter der Box links, um nach jedem Stück mit einem fordernd-donnernden »Miss Susie Honeyman« von Jon Langford gestenreich ins Scheinwerferlicht gelockt zu werden: ein schmales, langhaariges Wesen verbeugt sich zögernd-flüchtig, verschwindet sofort wieder im Versteck, taucht beim nächsten »Miss Susie Honeyman« wieder auf, versteckt sich wieder. Mag sein, daß eigens zur Aufstockung dieses Running Gags eine zweite Geige mit auf Tour geht: Miss Samantha Herebemonsters ...

Es hat Jahre in Anspruch genommen, bis die internationale Musikpresse sich darüber einig war, von wem die Rede sei, wenn man über die Mekons sprach. Nicht nur ständige Umbesetzungen, mittels derer sich die Bandmitgliederzahl seit Bestehen der Mekons Gerüchten unbekannter Quelle nach auf ungefähr 75 hochschraubte, führte zu permanenter Verunsicherung der Chronisten. Auch ihre unbeirrbaren Wanderungen durch sämtliche Stilrichtungen — angefangen 1977 mit rauhem Minimalpunk über Cajun, Reggae, Dub bis hin zu ihrem seit nunmehr drei Alben gepflegten Country- Folk-Giutar-Rock-mit-Geige-und-Gebrüll verhindern nach wie vor und sehr im Sinne der Beteiligten eine eindeutige Schubladenzuordnung. Mit dem Titelstück ihrer neuesten LP »The Curse of the Mekons« (der Fluch der Mekons), einem jubilierenden Cajun-lastigen Begeisterungsschwange, erklären sie nun zumindest ihre eigenen Beweggründe, die sie seit 14 Jahren ihr Unwesen treiben lassen: sie können nicht anders, sie sind gezwungen, ein Leben lang verschiedenartigste Musik zu machen — genau so, wie der geneigte Zuhörer nicht anders kann, als jeder neuen Platte zu verfallen (»Magic, fear and superstition/ this is the Curse of the Mekons/ you'll be visited by our crew/ ... this is our truth that no man shall stop«).

Traten die Mekons bisher mal lautstark, mal melodiös, mal verträumt-romantisch, mal polternd-rockig für permanenten Wandel und gegen stumpfen Stillstand ein (»Destroy your safe and happy lives/ Before it is too late«), so treibt ihre neue LP bis auf eine vorwärtsprügelnde Bläserattacke (mit ausgerechnet dem Titel »Funeral«) vorwiegend in den Breiten der traditionalbewußten behäbig-harmonischen Ballade. Ruhig und ausgeglichener sind sie geworden, die weiche Stimme von Sally Timms beherrscht mit märchenfeesanfter Erzählstimme la Talula Gosh-meets-Fellow Travellers die Atmosphäre. Zwar lassen sie noch immer wavige oder verzerrt-elektronische oder holzhacker- frühlingsfestliche Elemente in ihre bunte Welt der unterschiedlichen Volksmusiken einfließen, doch wird der entschlossen- muntere Zynismus der vorherigen Alben durch eine zurückgelehnte träge Abgeklärtheit abgelöst — wäre da nicht dieses letzte Stück auf der zweiten Seite: »100% Song«, eine bissige Jahrmarkts-Lalala- Hymne, in der Jesus für dieses Bier (»thank you Jesus«) und dem Publikum fürs Kommen (»thank you very much/ladies and gentlemen/it's been a pleasure/hope you come again soon«) gedankt wird und mit dem sich die Mekons grinsend bis zur nächsten LP, was und wie immer sie wird, verabschieden. Für ein Konzert der Mekons gilt jedenfalls nach wie vor absoluter Urlaubverschiebungsmitmachzwang. Erika

Um 21 Uhr im Ecstasy