„Das BRD-Rentensystem ist frauenfeindlich“

■ Berliner Sozialsenatorin startet sozial- und frauenpolitische Renteninitiative

Berlin. Die Renten der Frauen in den neuen Bundesländern werden aller Voraussicht erheblich gekürzt. Um „massive Verschlechterungen“ zu verhindern, setzt sich jetzt Berlins Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) mit einer Bundesratsinitiative für eine Nachbesserung des vorliegenden Regierungsentwurfs ein. Dieser sieht bislang vor, ab 1995 auch in den neuen Ländern Kindererziehungs- und Pflegezeiten nicht mehr auf die Rente anzurechnen. „Es gab durchaus gute und wichtige Strukturen in der ehemaligen DDR, die es lohnt, aufrechtzuerhalten“, hält Stahmer dagegen. „Es geht doch nicht an, daß wir unser in vielen Teilen schlechteres System jetzt einfach übertragen.“

Das bestehende Rentensystem in der Bundesrepublik bezeichnete Stahmer als frauenfeindlich. „Es macht sich ja kaum jemand klar, in welcher ökonomischen Abhängigkeit die Frauen gehalten werden, wenn sie erst nach dem Tod ihres Mannes über eigenes Geld in ausreichender Höhe verfügen.“ Denn die Hinterbliebenenrente ist in den alten Ländern in der Regel höher als die, die sich die Frauen selbst erarbeitet haben. Langfristig müßten deshalb für das gesamte Bundesgebiet frauenfreundlichere Lösungen gefunden werden. So sollte eine Frau nicht erst als Witwe über eine ausreichend hohe Rente verfügen.

Das System der ehemaligen DDR bietet für eine Neuregelung durchaus Anhaltspunkte: Jede berufstätige Frau hatte Anspruch auf eine abgesicherte Eigenrente, auf die auch Pflege- und Erziehungszeiten angerechnet wurden. Die Hinterbliebenenrente lag hingegen unter 50 Mark. Die Angleichung an das neue System führt nun ab 1995 dazu, daß sich die Renten vieler ostdeutscher Frauen um bis zu einem Viertel verringern. „Im Vertrauen auf die alten Regeln haben Millionen Frauen ihren Lebensplan nach dem DDR-typischen Bild der berufstätigen Mutter aufgebaut“, erklärte Stahmer. „Das darf auch 1995 nicht vergessen sein.“

Abgestimmt wird die „sozial- und frauenpolitische Renteninitiative“ Stahmers am kommenden Donnerstag auf einer Bundesratsausschuß- Sitzung in Schwerin. Dann wird sich entscheiden, ob der vorliegende Regierungsentwurf von einer Mehrheit im Bundesrat noch geändert werden kann. Ingrid Stahmer ist optimistisch: Bei Vorabstimmungen unterstützten dreizehn der sechzehn Länder ihre Initiative. Nicht frauenfreundlich zeigten sich lediglich Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Jeannette Goddar