„Ich bin nicht glücklich mit dieser Rolle“

■ Innensenator Sakuth zur Flucht der Asylsuchenden aus Sachsen

Seit Anfang Dezember sind 550 AsylbewerberInnen von Bremen nach Sachsen umverteilt worden. Ein großer Teil von ihnen ist inzwischen illegal nach Bremen zurückgekehrt. Hier leben sie in der Illegalität, sind mittellos und haben keinen Anspruch auf ein ordentliches Asylverfahren. Die Illegalität in Bremen ist ihnen offenbar immer noch lieber als der gesetzlich verordnete Aufenthalt in Sachsen. Die taz befragte dazu den Innensenator.

taz: Was wissen Sie über die Lebensumstände der AsylbewerberInnen in Sachsen?

Peter Sakuth: Daß die Lebensumstände dort sicherlich nicht mit denen vergleichbar sind, die wir hier in Bremen für uns zugeteilte Asylbewerber vorhalten, das ist wohl allgemein so zu bewerten. Aber ich gehe davon aus, daß die neuen Länderregierungen ebenfalls das in ihrer Kraft stehende Denkbare tun, um erstens die Leute zu humanitären Bedingungen unterzubringen. Und zweitens daraufhinzuarbeiten, den neuen Nachbarn klarzumachen, wie man mit Asylbewerbern umzugehen hat. Es wären klärende Worte der verantwortlichen Politiker notwendig.

War einer Ihrer Beamten schon einmal vor Ort?

Nein. Aber es ist ja nicht so, daß wir die Asylbewerber hinschicken, sondern der Bundesbeauftragte in Zirndorf. Ich denke, daß wir hier in Bremen ein vorrangiges Ziel darin sehen müssen, den Menschen, die uns aufgrund des Verteilerschlüssels zugewiesen sind, auch Rahmenbedingungen zu geben, daß sie sich hier auch vernünftig aufhalten können — damit es nicht wieder zu Bunkerbelegungen kommt.

Was halten Sie von der Forderung, die Umverteilung in die Ex-DDR solange auszusetzen, bis die AsylbewerberInnen dort menschwürdig leben können?

Das wird Anfang Mai ein Punkt auf der Innenministerkonferenz sein.

Was wird Ihre Position als Sozialdemokrat dort sein?

Ich kann nur sagen, daß die Menschen in den neuen Ländern aufgenommen werden müssen. Wir müssen den neuen Ländern dann vielleicht noch weitere Hilfen zukommen lassen.

Könnte es sein, daß in den alten Bundesländern die Forderung nach einem vorläufigen Stopp der Umverteilung nicht erhoben wird, weil die alten Bundesländer von der Umverteilung profitieren? Bremen muß nicht mehr wie früher 1,3 Prozent, sondern nur noch 1,03 Prozent der bundesdeutschen Flüchtlinge aufnehmen, weil der Rest in die Ex-DDR geschickt wird.

Auszuschließen ist nichts, wovon man sich da leiten läßt. Für uns Bremer ist der neue Schlüssel eine Vereinfachung der Bewältigung unserer Problemstellung, Leute ordnungsgemäß zu betreuen. 550 Leute mehr in Bremen: Wo wollen wir die unterbringen?

Faktisch ist es ja so, daß ein großer Teil der 550 sich in Bremen aufhält. Die Leute werden zwar nach Sachsen umverteilt, kommen aber illegal zurück. Hausen mittellos bei Bekannten, essen — wenn sie Glück haben — bei jemandem mit, der noch ordnungsgemäß Sozialhilfe bezieht. Das ist keine Lösung.

Ja. Aber ich kann nur sagen: Durch die Umverteilung sind sie aus diesen berechtigten Anspruchsleistungen, die das Land Bremen zu geben hat, herausgefallen. Ich bin nicht glücklich mit dieser Rolle. Aber ich finde, wir haben einen modus vivendi gefunden, der uns in den Grundzügen darin bestärkt, daß wir uns darauf konzentrieren, die uns Zugeteilten vernünftiger als bisher zu betreuen.

Interview: Barbara Debus

Heute, Freitag, abend nimmt um 20 Uhr der Ausländerbeauftragte der Stadt Chemnitz (Sachsen) an einer Podiumsdiskussion im Überseemuseum teil. Thema: „Fremd im Einig-Vaterland“.