Schotten gegen HMI-Müll

■ Parlamentarier der schottischen Kleinstadt Dounreay fordern, daß Atommüll aus Sicherheitsgründen dort gelagert wird, wo er herkommt

Dounreay/Schottland. Die Entsorgung des Atommülls aus dem Hahn- Meitner-Institut ist längst nicht so sicher, wie Umweltsenator Hassemer es gerne hätte: In der schottischen Kleinstadt Dounreay, in die Berlins strahlender Abfall abgeschoben und möglicherweise wiederaufgearbeitet werden soll, treten die Ratsmitglieder vehement den Plänen der britischen Regierung entgegen: keine Untergrund-Deponie für Atommüll am Rand der Kleinstadt. Der Gemeinderat forderte am Wochenende, strahlenden Müll aus Sicherheitsgründen oberirdisch am Produktionsort zu lagern — Berlins jährliche 10 Kilogramm schwere, radioaktive Fracht müßte am Wannsee bleiben, bis in der ausgebuchten schottischen Anlage ein Termin zur Wiederaufarbeitung frei wird. Eine entsprechende Erklärung, die der Gemeinderat am Wochenende verfaßt hat, soll auf dem Parteitag der schottischen Konservativen Partei in zwei Wochen behandelt werden.

Die in der »Dounreay Action Group« (DAG) organisierte Atomlobby warf dem Gemeindeparlament vor, mit seiner Kampagne gegen die Deponie die gesamte Atomanlage in Verruf zu bringen. Der DAG-Delegierte John Henderson sagte, der Rat müsse beide Fragen deutlich trennen, sonst entstehe der Eindruck, daß er prinzipiell gegen die Wiederaufbereitung in Dounreay sei. Der atomfreundliche Ratssprecher Duncan McPherson war über die Besorgnis der DAG verwundert: »Schließlich bedrängen wir die Londoner Regierung seit langem, ihre Entscheidung zurückzunehmen, die Subventionen für den Prototyp des Schnellen Brüters in diesem Jahr sowie 1997 für die Wiederaufbereitung in Dounreay zu streichen.« McPherson wies auf die wirtschaftliche Bedeutung der Atomanlage hin, die »mehr als 2.000 Arbeitsplätze schafft und jährlich 30 Millionen Pfund (ca. 90 Millionen Mark) zur lokalen Wirtschaft beiträgt.« Der Gemeinderat drückt sich dann auch weiterhin um eine Entscheidung herum, ob er den Import von Atommüll ausländischer Forschungsreaktoren unterstützt. Angeblich hängen von den Importen 500 Jobs ab.

Die kritischen Gemeindeparlamentarier erfahren inzwischen aber auch Unterstützung aus dem schottischen Unterhaus. Der Abgeordnete Robert Maclennan betonte auf einer Demonstration gegen die Deponie am vergangenen Wochenende, daß er für Atomenergie sei, eine nationale Deponie in Schottland jedoch für unsinnig halte, da das Mülltransporte aus dem ganzen Land und sogar von Forschungsreaktoren aus dem Ausland nach sich ziehen würde. »Das macht weder politisch noch geographisch Sinn«, sagte der Abgeordnete Maclennan. Chris Bunyan von der »Nordeuropäischen Atom- Informationsgruppe« erklärte, die Kampagne sei »Teil eines nationalen und internationalen Kampfes« von Gemeinden gegen Atommülldeponien.

Der Widerstand gegen die Anlage in Dounreay wächst, weil in der Umgebung — wie auch bei anderen britischen Atomanlagen — erschreckend viele Fälle von Leukämie bei Kindern aufgetreten sind. In Dounreay kam das schottische Gesundheitsamt zu dem Ergebnis, daß verseuchte Strände die Krankheit bei den Kindern ausgelöst haben. Ralf Sotscheck