Über Apartheid lachen

■ Der südafrikanische Kabarettist Pieter-Dirk Uys gastiert im Haus der Kulturen der Welt

Evita kam, faselte und rauschte ab: »Richard von Weizsäcker holte mich vom Flughafen ab. Noch vorgestern sagte mein persönlicher Freund Nelson Mandela, er werde mit mir kommen, dann sagte er gestern ab und heute beschwert er sich darüber, daß ich ihn nicht gefragt habe! Der arme Nelson, ist ganz müde, ist ja auch schon ein alter Mann. Ja Leute, alles ist gut in Südafrika, so wie bei euch, die Deutschländer sind vereint, basta. Apartheid jedenfalls ist auch tot. O.k., wir haben einen Fehler gemacht, aber wir versprechen, wir machen es nie wieder! Nach meinem Besuch hier fahr' ich zu Gorbatschow und erzähle ihm von unserer erfolgreichen Homelandpolitik. Wir brauchen Geld, Geld, Geld. Wir haben schöne Schwarze und die sind auch gar nicht schmutzig. Die Nationalpartei de Klerks hat sich jetzt für alle Rassen geöffnet: Weiße bitte hier einreihen, Schwarze bitte dort anstellen, Mischlinge da... Ich habe übrigens einen Trabi für Winnie Mandela als Geschenk gekauft, der ist schmal genug für ihre Gefängniszelle... Ach ist das aufregend, hier sein zu können!«

Die geballte Kraft dieser Geschwätzigkeit und Dummheit raubte der versammelten Presse am Mittwoch im Berliner Haus der Kulturen tatsächlich den Atem. Als sie, diese südafrikanische Botschafterin im Zungenbrecher-Homeland Bapetikosweti dann in ihrem glitzernden Fummel abgerauscht war (»Haben Sie noch irgendwelche Fragen?«), trat er herein: Pieter-Dirk Uys, der kabarettistische Meister aus Südafrika, unscheinbar, mit dem Palästinenser-Tuch um den Hals. »Evita ist weg«, meinte er fast wie zum Trost.

Pieter-Dirk Uys ist Evita. Eigentlich, so könnte man meinen, ist doch Apartheid das am wenigsten Amüsante auf der Welt. Wie kann man denn über den 40jährigen Krieg einer winzigen weißen Minderheit gegen die Mehrheit des Volkes lachen? Aber offenbar ist das schwerblütige, weiße, durchwachsen rassistische Land bereit zum Lachen. Es hat, so Uys, in einer Gesellschaft, in der jeder dem anderen mißtraut und die von Angst und Gewalt beinahe aufgefressen wird, eine enorm wichtige, befreiende Funktion. Das in die Literatur eingegangene Motto vom Cry the beloved country des Schriftstellers Alan Paton wandelt sich heute zum kathartischen Imperativ: lacht Leute, lacht. Schließlich ist in Südafrika einiges passiert seit Staatspräsident de Klerk vor einem Jahr die Wende von oben begann: Pretoriastroika. Dieses Lachen, sagt Uys, und Sätze wie »Fausthiebe im 20-Sekunden-Takt«, das seien seine einzigen Waffen. Kommunikation als Medizin gegen die Totschweiger und Totschläger, Satire als Therapie für eine pathologisch getrennte, eine absurde Gesellschaft: »Wir haben doch noch nicht einmal ein gemeinsames Alphabet geschweige denn eine Sprache.«

Uys erzählt viel, spricht voller Verve und Engagement, aber er tut es bedachter als seine »Evita«, deren wendehälsisches Sendungsbewußtsein die Verlogenheit des Geredes vom »neuen Südafrika« perfekt offenbart. »Evita ist auch eine Therapie für mich, sie ist so blöd, so vertraut chauvinistisch. Und für Evita bin ich ein rotes Tuch. Sie haßt mich, sie denkt, ich bin ein drittklassiger Komödiant.«

Evita Bezuidenhout, die »Lorelei« der seit 1948 herrschenden Nationalpartei, ist sicherlich die gelungenste Kunstfigur des 45jährigen Kabarettisten. An ihr reibt sich Uys, aber auch das südafrikanische Publikum, am meisten. Als er sie vor zehn Jahren auf die Bühne hievte, war sie nicht als »bekannteste weiße Frau Südafrikas«, wie sie sich heute selbst nennt, geplant. Nein, Uys macht sich zur Aufgabe, alle Prototypen der immer bunter werdenden südafrikanischen Gesellschaft zu imitieren und zu parodieren: von Außenminister »Pik« Botha über Winnie Mandela und Staatspräsident »De Clown«-Klerk hin zu Mitgliedern der faschistischen »Afrikaaner Weerstandsbeweging« (AWB), die zu den Klängen von Frank Sinatras I get a kick out of you einem schwarzen Jugendlichen den Schädel eintreten.

Es gibt keine billige Satire in Südafrika, sondern atemraubende Sätze und Abgründe wie: »Jahrelang haben wir euch zugesehen, wie ihr alles kaputtgemacht habt. Jetzt sind wir dran, und wir können es besser machen.« (Winnie Mandela).

In einem Interview meinte der Friedensnobelpreisträger Bischof Tutu (auch ein beliebtes Uys-Objekt) einmal, seine Hoffnung auf eine bessere Gesellschaft habe begonnen, als er sah, daß die Weißen auch über sich selbst lachen könnten. »Dafür liebe ich Pieter.«

Es habe Zeiten gegeben, so Uys, wo ihn die Zensoren fast zur Selbstaufgabe brachten, wo schon die Schere im Kopf zuckte. Doch dann entdeckte er, der aus der Keimzelle der Apartheid, einer ganz normalen, anständigen, christlichen, burischen Familie (die Mutter ist allerdings Berliner Jüdin, die vor den Nazis nach Südafrika floh) kommt, Widersprüche und Schwachstellen im System, die er nutzte. »Für mich wurde die Zensur zu meiner PR-Agentur. Mit ihren abstrusen Verboten und Interventionen haben sie mir einen großen Dienst erwiesen, der unbezahlbar ist.« Sein Vater, so Uys rückblickend, habe ihm immer beigestanden, obwohl das für den sehr schwer gewesen sei. Eine Loyalität, die es in anderen burischen Familien nicht gab, wo der »Renegat« brutal ausgestoßen wurde.

»Ich bin ein großer, großer Optimist«, meint Uys auf die Frage, wie er die südafrikanische Situation nun bewerte. Und erzählt die Geschichte von den zwei Vorstellungen an einem Tag: am frühen Abend habe Evita Bezuidenhout vor einem mehrheitlich aus Mitgliedern der ANC-Jugendliga bestehenden Publikum gespielt, später abends dann vor vielen Armeeangehörigen. Beide hätten voneinander gewußt, sich mißtrauisch angesehen. Und sie hätten mehr oder weniger die gleichen Fragen gestellt, auch wenn die Antworten eben immer noch... Viel Schuld am jetzigen Zustand der Gesellschaft gibt Uys den Negativauswirkungen des Kulturboykottes. »20 Jahre lang waren wir von den Ideen der freien Welt abgeschnitten. Jetzt erst können wir Ihre Ideen stehlen. Die Verweigerung von Kommunikation ist kriminell.«

Uysens 90-Minuten-Show Südafrika in Farbe ist Teil einer ambitionierten und gelungenen Veranstaltungsreihe im Haus der Kulturen der Welt in Zusammenarbeit mit der Kulturorganisation »ZAKK« in Düsseldorf. Nach Uys werden Ende Mai noch drei aktuelle südafrikanische Theaterstücke gezeigt und bei einer Podiumsdiskussion liest der weiße burische Südafrikaner Rian Malan aus seinem 1990 veröffentlichten bedeutenden Buch Mein Verräterherz.

Es sei schade, meinten besonders Pressevertreter aus der DDR, daß man Programme wie das von Uys nicht auch an Orten wie Leipzig spiele. Nicht nur, monierte einer, sei die gesamte eigenständige Kulturszene dort »so gut wie tot«, sondern gerade bei Themen wie Rassismus, Wende, Vergangenheitsbewältigung, Reue, Schuld, Mitläufertum seien doch frappierende Parallelen festzustellen. Ja, schade: so entgeht den Leipzigern nicht nur Evita, sondern auch der Gefängniswärter Mandelas, die kleine Katriintje Blanckenberg, die Küsse für das »neue Südafrika« verkauft, und auch der farbige Polizist, dessen Familie im Gefolge der Rassentrennungsgesetze ihr Haus verlassen und in ein Ghetto ziehen mußte. Jetzt fordert sie ihren Besitz zurück. »Gerne, sagt Uys, komm ich' beim nächsten Mal in den Osten.« — »Ich habe sowieso noch einen Koffer in...«, flötet Evita hinterher. Claire Robinson

Südafrika in Farbe vom 26.-28.4.91 immer um 20 Uhr im Haus der Kulturen der Welt.