: ZK-Mitglied will gehen
■ Nach Rücktrittsaufforderung von Kultursenator Roloff-Momin will Intendant des Berliner Ensembles aufhören/ Brecht-Schüler zeigt keine Reue
Berlin. Nach der Rücktrittsaufforderung von Kultursenator Ulrich Roloff-Momin (SPD-nah) will der Intendant des Berliner Ensembles, Manfred Wekwerth, jetzt seinen Stuhl räumen. Der Senator hatte sein Unverständnis darüber geäußert, daß »ein Mitglied des ZK der SED, der Quelle der Unterdrückung auch und gerade der künstlerischen Freiheit, es mit seinem Gewissen vereinbaren kann, in einer Zeit, da das Grundgesetz die Freiheit der Kunst garantiert, einem Theater vorzustehen, das als Stätte der freien künstlerischen Arbeit erhalten und entwickelt werden muß«. Wie der Sprecher des Senators der taz erklärte, vermisse Roloff-Momin beim BE-Intendanten »nach allem, was geschehen ist«, die nötige Reue. Seine »von jeder Nachdenklichkeit freie Haltung erfordert Konsequenzen, um Schaden vom Theater abzuwenden«.
Manfred Wekwerth, der dem Ensemble seit 1977 vorsteht und 1982 zum Präsidenten der Akademie der Künste gewählt wurde, zeigte sich von der Rücktrittsforderung überrascht. Der 1929 geborene Brecht- Schüler und Theatertheoretiker habe, erklärte er gegenüber der taz, dem Kultursenator schon vor geraumer Zeit in einem Gespräch seine Bereitschaft bekundet, »nach einer fristgemäßen Kündigung« seinen Stuhl zu räumen. Ohnehin wolle er in Zukunft nur noch als Regisseur arbeiten. Eine Personaldiskussion, so Wekwerth, wurde von ihm im Hause schon angeregt, ein Rücktritt kam jedoch bis jetzt »für ihn nicht in Frage«. Gegen einen solchen Schritt hatten für Wekwerth auch arbeitsrechtliche Konsequenzen gesprochen: »Ich würde danach ohne soziale Absicherung dastehen«, sagte er noch am gestrigen Nachmittag der taz. Am Abend trat er dann doch zurück.
Den Vorwurf fehlender Bußfertigkeit wies Wekwerth zurück. »Das einzige, was ich mir vorzuwerfen habe, ist, daß ich an die Reformierbarkeit dieses Systems geglaubt habe. Aber daran haben schließlich auch die Sozialdemokraten geglaubt, als sie ihr Dialogpapier mit der SED aushandelten.« Wekwerth sieht einen Zusammenhang zwischen der plötzlichen Rücktrittsforderung und dem Papier zur Neuordnung der Berliner Theaterlandschaft, zu dessen Kritikern er gehört. Die sogenannte Nagel-Kommission empfahl dem Kultursenator, die Führung des BE als »Familienbetrieb zu beenden«, eine »neue Intendanz« zu berufen und damit »abgewanderte Brecht-Schüler der ersten oder zweiten Generation« zu betrauen.
In der Kulturverwaltung gab man zwar zu, daß der Senator mit seiner Forderung »einen weiteren Stein in den Berliner Theaterteich« werfen wollte, ein Zusammenhang mit dem Nagel-Papier bestehe jedoch nicht. Vielmehr sei das Ex-ZK-Mitglied Wekwerth — dem sein Ensemble im Herbst 1989 das Vertrauen aussprach — als »Repräsentant des BE untragbar«. Zwar könne man keine Angaben über Repressalien machen, die der Intendant zu verantworten hätte, doch liegen dem Senator »eine große Zahl glaubhafter anonymer Beschwerdeschreiben« vor. Wie 'dpa‘ aus der Belegschaft erfahren hat, sei gestern »keine Stimme zu hören gewesen, die sagte, daß er bleiben soll«. a.m.
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