Kleine Geschichte eines Versprechens

■ Lutz Rathenow zu den Äußerungen seines früheren Verlegers Eberhardt Günther vergangene Woche im Berliner Literaturhaus

„Zensur oder das Handwerk der Literaturförderung“ lautete eine Veranstaltung im Berliner Literaturhaus am Freitag vor einer Woche im Rahmen der derzeit dort zu sehenden Ausstellung über Zensur in der ehmaligen DDR. Geladen waren der Schriftsteller Joachim Walther, der Zensor und Schriftsteller Gerd Dahne, der Leiter des Mitteldeutschen Verlages Eberhardt Günther, der westdeutsche Literaturkritiker Konrad Franke. Der ebenfalls eingeladene stellvertretende Kulturminister und Oberzensor Klaus Höpcke hatte kurzfristig abgesagt. Bei der Diskussion ging es unter anderem um Zensur und Verbot der Werke von Lutz Rathenow. Wie die taz am Montag im Berliner Lokalteil berichtete, erzählte Eberhardt Günther eine der vielen Geschichten in Sachen „Literaturförderung“ so: „Ich hatte Lutz Rathenow versprochen, seinen Gedichtband zu drucken. Aber ich hatte ihn darum gebeten, sich bis zum Erscheinen nicht in der Westpresse zu äußern. Er hat es mir versprochen. Und dann hat er sich, ich glaube im 'Rheinischen Merkur‘, doch geäußert.“

Lutz Rathenow hat die Vereinbarung mit Günther allerdings anders in Erinnerung. In einem Brief an die taz stellt er richtig: „Ich habe dem Mitteldeutschen Verlag niemals versprochen, mich 'nicht in der Westpresse zu äußern‘. Vom ersten Gespräch an, während des Vertragsabschlusses bis hin zum Druckverbot des Gedichtbandes „Zärtlich kreist die Faust“ habe ich ständig Interviews in westlichen Medien gegeben. Das wußte auch Herr Günther (...) Ich habe ihm lediglich versprochen, nicht über Interna der Verlagsarbeit zu reden oder zu schreiben, solange ich das Gefühl habe, der Verlag wolle das Buch ernsthaft veröffentlichen. Bis zum mündlich in Halle ausgesprochenen Druckverbot (März '89) hielt ich mich an diese Absprache. Nicht ich, der Verlag deutete erstmals in der Öffentlichekit die Herausgabe des Buches an. Ich erinnere mich noch genau an den mehrstündigen Vortrag Herrn Günthers, auf den er sich bezieht. Ich antwortete: Falls die gesellschaftliche Entwicklung positiv verlaufe, könnte es ja sein, daß ich zu einer freundlichen öffentlichen Kommentierung von Ereignissen verleitet werde. Falls es wieder zu Verhaftungen komme, wie kurz zuvor bei Freia Klier und Stephan Krawczyk, werde ich mich wieder dazu äußern. Auch zu allen anderen Dingen, die ich unerträglich fände. Aber ich ginge nicht davon aus, alles unbedingt unerträglich finden zu wollen. Wahrscheinlich wollte dies Herr Günther so verstehen, wie er es jetzt äußert.“ taz