Keine Garantien

■ Das Abkommen zwischen Saddam Hussein und den Kurden steht auf wackeligen Beinen

Keine Garantien Das Abkommen zwischen Saddam Hussein und den Kurden steht auf wackeligen Beinen

Der „kurdische Staat im Rahmen der irakischen Republik“, wie Bagdads UN-Botschafter Al Anbari den Inhalt des Grundsatzabkommens zwischen Saddam Hussein und einer kurdischen Delegation zusammenfaßte, steht noch auf sehr wackeligen Beinen. Denn solange der irakische Diktator an der Macht ist, gibt es keinerlei Garantie dafür, daß der lange Zyklus von Kampf und gescheiterten Verhandlungen endgültig durchbrochen und der „kurdische Staat“ auf irakischem Boden Realität wird.

Bisher handelt es sich bei dem Abkommen nur um eine prinzipielle Übereinkunft, und der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Die noch offenen „Details“ lesen sich eher wie eine Liste der grundlegenden Konfliktpunkte der Vergangenheit, die schon das Autonomie-Abkommen von 1970 zum Scheitern brachten. Dazu zählt die geographische Ausdehnung des kurdischen Gebiets, ein Problem, das in dem Streit um die Erdölstadt Kirkuk gipfelt; die Frage des Budgets der autonomen Regierung; ein größeres Mitspracherecht in der Regierung in Bagdad sowie das Problem der Präsenz von Armee und Geheimdienst.

Allerdings ist die Lage heute eine völlig andere als 1970. Nach der Kriegsniederlage und der Isolation seines Regimes im In- und Ausland steht Saddam Hussein mit dem Rücken zur Wand. Das zeigt sich nicht nur an der Kompromißbereitschaft gegenüber den Kurden, sondern auch an den Versuchen des Regimes, sich mit der Umschichtung von Befugnissen und einer neuen Verfassung einen demokratischen Anstrich zu verleihen. Umgekehrt nutzen die Kurden die Gunst der Stunde, um gegenüber dem geschwächten Regime ihre Forderungen durchzusetzen. Sie zielen über eine Absicherung ihrer Autonomie hinaus auch auf Veränderungen in Bagdad. Einer der vier vereinbarten Kernpunkte des Abkommens lautet: Demokratie im Irak.

Der Versuch, dem verhaßten Diktator Zugeständnisse abzuringen, mußte unternommen werden, gerade auch angesichts des Flüchtlingselends. Zu Verbündeten Saddam Husseins werden die Kurden dadurch nicht. Skepsis bleibt angebracht, zumal von den geforderten internationalen Garantien bislang nicht die Rede ist. Wie ein kurdischer Politiker gegenüber der taz erklärte, gibt es im ungünstigsten Falle noch eine „Garantie“: die Peschmerga, bewaffnete Kämpfer, die nach wie vor weite Teile Kurdistans kontrollieren. Entscheidend wird also neben den „Details“ die Frage der tatsächlichen Realisierung des Abkommens sein. Niemand kann garantieren, daß Saddam Hussein nicht, wie seine zahlreichen Vorgänger, einen Verzögerungskurs einschlägt. Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Aufstand in Kurdistan ausbricht. Beate Seel