Justitzminister wollen Rechtsweg verkürzen

Berlin (taz) — Die Rechtswege bei Gericht sollen künftig drastisch verkürzt werden. Die Justizminister und -senatorInnen der Länder einigten sich bei einer außerordentlichen Konferenz in Berlin auf einen Gesetzentwurf „zur Verfahrensvereinfachung und Beschränkung der Rechtsmittel in den Gerichtsbarkeiten“.

Bei den Strafverteidigern stößt der mit breitem Konsens verabschiedete Entwurf allerdings auf heftigen Protest. Bundesrechtsanwaltskammer und Deutscher Anwaltsverein sprachen bereits im Vorfeld des Ministertreffens von einer „Horrorliste“.

Das Maßnahmenpaket, das unter anderem eine tiefgreifende Beschneidung der Berufungsmöglichkeiten vorsieht, wird auch von Bundesjustizminister Klaus Kinkel (FDP) unterstützt. Es soll, so die Berliner Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD), den „besonderen Leidensdruck der neuen Länder“ in der Rechtspflege lindern. Mit dem Entwurf — er soll noch vor der parlamemtarischen Sommerpause verabschiedet werden — werde den neuen Ländern das notwendige Personal für den Aufbau eines Justizapparates zur Verfügung gestellt.

So ist in dem Entwurf daran gedacht, in den unteren Instanzen die bisherigen Kollegialgerichte vermehrt durch Einzelrichter zu ersetzen. Folgt der Gesetzgeber dem Willen der JustizministerInnen, werden künftig Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr ohne Hauptverhandlung durch Strafbefehl verhängt werden können, wenn sie anschließend zur Bewährung ausgesetzt werden. Bei Strafurteilen von Amtsgerichten gäbe es dann auch keine Rechtsmittel mehr.

Die Begründung, wonach die Reform möglichst viele Richter und Staatsanwälte für den Aufbau der Justiz in den Neu-Ländern „freisetzt“, wird vom Anwaltsverein und der Bundesrechtsanwaltskammer entschieden zurückgewiesen. In Wirklichkeit diene sie nur als Vorwand, „um lang gehegte Pläne zur Verkürzung des Rechtsschutzes“ umzusetzen.

Der Maßnahmenkatalog fasse alles zusammen, „was in den letzten 20 Jahren am deutschen Gesetzgeber gescheitert ist“. Eine Verwirklichung der Absichten würde zu weniger sozialem Frieden und zu mehr Unrecht führen. Das Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen hatte in einem offenen Brief an die Justizministerkonferenz den Referentenentwurf als „skandalös“ und „völlig inakzeptabel“ bezeichnet. Wolfgang Gast