Eklat! Eklat!

■ Über parlamentarische Gepflogenheiten in Brandenburg

Potsam. „Wenn ich noch Innenminister wäre, hätte ich geputscht.“ Peter-Michael Diestel, muskelstrotzender CDU-Fraktionsführer im Brandenburger Landtag, verbreitete Empörung über die Arroganz der Macht. Einschüchtern läßt sich die Opposition nicht! Schon gar nicht von einer kunterbunten Koalition. „Sie werden uns als Lakaien nicht kriegen!“ Schmunzelnd teilt Lothar Bisky, parlamentarische Häuptling der PDS, den Schmerz der konservativen Kollegen. „Eklat!Eklat!“, tönen die getretenen Fraktionskörper über die Flure des Landtagsgebäudes.

Was war geschehen? „Die Oppositionsfraktionen CDU und PDS verließen geschlossen den Plenarsaal. Nach ergebnislosen Schlichtungsversuchen zwischen Landtagspräsidium und Fraktionen wurde die Sitzung auf unbestimmte Zeit vertagt“, tickerten die Agenturen vorgestern nacht. Es sollte um das Gesetz zur Besoldung der Minister gehen oder eigentlich auch nicht, denn das Präsidium hatte „ohne Debatte“ in die Tagesordnung geschrieben. Doch die PDS besann sich auf ihr Rederecht. In der Abstimmung über die minimale Redezeit schnellten die Arme der Gegenstimmen — durch die Bank Koalitionsparlamentarier – mit vermutlicher Mehrheit in die Höhe. Doch zur Auszählung kam es nicht mehr. Die beidseitigen Oppositionen fürchteten, „daß uns wie so oft der Mund verboten wird“. Diestel bestieg das Podium und gab das Zeichen zum Auszug der Parlatoren. Und alles nur wegen einer fehlerhaften Geschäftsordnung, die es bei Ablehnung von Redezeiten dem Landtagspräsidenten überläßt, wie die Opposition zu Worte kommt.

„Wir haben das regelrecht verpennt“, gibt Günter Nooke, Fraktionsführer vom Bündnis 90, den demokratiehinderlichen Lapsus zu. CDU und PDS ließen in trauter Einigkeit Dampf ab. Man könne sich eine Opposition sparen, wenn sie die Regierung nicht befragen kann. Außerdem würden Vorschläge für eine veränderte Geschäftsordnung wie „unsittliche Anträge“ behandelt. Kleine Körnchen Wahrheit in diesen Vorwürfen sind nicht zu leugnen. Er hoffe, so Diestel, daß allein „massive Unkenntnis parlamentarischer Gepflogenheiten“ dahinterstecke. Daß die Koalition die „Peinlichkeit“ der Ministergehälter umgehen wollte, ist absurd. Erreicht wurde etwas anderes: Das Gesetz über den Aufbau einer zweistufigen Verwaltung konnte an diesem Abend nicht mehr verabschiedet werden. Von der CDU hart bekämpft, sollte es nach dem Willen der Konservativen noch mal die zeitraubende Wanderung durch die Ausschüsse gehen. Obwohl die Städte und Landkreise danach lechzen, endlich Klarheit in ihre Verwaltungsstruktur zu bekommen. ig