Räng däng däng

■ Ein Besuch beim lokalen MZ-Motorraddealer Axel Thoneick

Ein schmaler Gang, vorbei an einem Autofriedhof von Rasenmähern und Mofas, dann geht es einige Stufen hinunter in die Höhle des Schraubers: hier arbeitet Axel Thoneick mit seinem Monteur Herbert. Seit siebzehn Jahren verschaffen sie hier vergreisten Motormähern neue Puste, möbeln Motorsägen auf, setzen Industriemotoren instand, stellen Mofavergaser ein und warten Motorräder.

In der Werkstatt ein scheinbares Chaos aus Maschinenteilen und Spezialwerkzeug, dichten Auspuffrohren und Reinigungsbädern für verdrecktes Metall. Der Benzingeruch dringt selbst bis in das darübergelegene Wohnhaus Thoneicks. Hier ist die Zeit stehengeblieben. DDR-mäßig, möchte man assoziieren. Und liegt nicht ganz falsch: An den Wänden hängen serienweise Urkunden, die besagen, daß Axel Thoneick regelmäßig seit 1976 Schulungen der Motorradwerke Zschopau im Erzgebirge besucht hat. Denn: Die von ihm als Händler und Servicemann vertretene Motorradmarke heißt MZ und ist das DDR-Motorrad schlechthin gewesen.

Thoneick ist im weiten Umkreis Bremens als guter Schrauber und zuverlässiges Ersatzteilbesorger bekannt. In schlechten Zeiten zerlegte er auch schon mal komplette Neumaschinen, um mit Teilen dienen zu können. Solch eine Zeit war die Ära Hein Gericke. Nachdem in den 60ern und 70ern der Ostzweitakter (wegen seines charakteristischen Sounds auch „Rängdängdäng“ genannt) über das Versandhaus Neckermann vertrieben wurde, zog 1986 der Motorradzubehörhändler Gericke das Importgeschäft mit üppigen Abnahmeversprechungen an sich. Prompt blieb er auf einer Motorradhalde sitzen. Vom Design her zu „ostig“, vom Schadstoffausstoß als Zweitakter das Ökogewissen belastend, ließ sich die MZ nur noch schwer absetzen. Das Ende war ein beispielloser Discount: Für 1600 DM gab es ein 17 PS Motorrad, robust, alltagstaulich, wartungsfreundlich, wo man für manche Mofas schon locker 3.000 DM hinblättern kann. Den Händlern blieb die Luft weg.

Seitdem ist der Markt kaputt, die „Wende“ gab ihm den Rest. Da man auch in Zschopau jetzt richtiges Geld verdient, kostet die „große“ MZ (250er) schon 4.700 DM. Thoneick lebt von seinen Rasenmähern und denkt über Fahrradverkauf nach. Und doch hängt er an der Marke. Seine zahlreichen Schulungen haben ihm etliche Freundschaften zu DDRlern eingebracht. Im Eßzimmer hat er ein Regal voller Geschenke aus dem Erzgebirge: Nußknacker, Räuchermännchen. Und immerhin war man als „Gast der Republik“ privilegiert. Auf der Rückreise hatten dann alle Geschulten, meist etwa 25 Westhändler, die Taschen voller kleiner Ersatzteile, die hier schwer zu beschaffen waren.

Eine traurige Geschichte verbindet den 45jährigen außerdem dauerhaft mit dem Motorrad. In der Nachkriegszeit gab es in Bremen einen begeisterten Motorradsportler, international erfolgreichen Rennfahrer und Vorsitzenden der Bremer Motorsportvereinigung, der die renomierten „Flugplatzrennen“ organisierte. Bei Pobefahrten auf der Blocklandautobahn, wo er verschiedene Übersetzungen ausprobierte, verunglückte er am 28. Juli 1951 mit seiner Werks-NSU, einer Rennfox, tödlich. Sein Name: Fritz Thoneick. Sein Sohn Axel, fünfjährig, fand ihn kurz darauf. Das Motorrad war zum Albtraum der Familie geworden. Axels Traum blieb es, heimlich.

Sein erstes Moped kaufte er ohne Wissen seiner Mutter und stellte es bei einem Freund unter. Fuhr mit dem Fahrrad los zur Arbeit und stieg unterwegs um. Heute lebt sich seine Leidenschaft bei gelegentlichen Probefahrten mit Kundenmaschinen aus.

In seinem winzigen Souterrain- Büro, an der Wand MZ-Wimpel, steht auf Podest ein 1a-restauriertes Oltimer-Motorrad. Kaum größer als ein Mofa, ganz leicht gebaut, viel Alu, offener Ansaugtrichter, doppelte Sitzbank, bildschöner Rahmen: eine Rennfox. Die Fox von Fritz Thoneick, die seinem Sohn vor einigen Jahren angeboten wurde. Er stellt sie hin und wieder aus, sie ist wohl von 30 gebauten Modellen das einzige im Originalzustand, das noch existiert. Baujahr 1950, lief die Fox bei 7.000 Umdrehungen und 7,5 PS 100 Sachen. Axel Thoneick plant, Veteranenrennen mitzufahren.

Alle Hoffnungen des alten MZ- Freaks richten sich auf ein neues Modell aus Zschopau: die 500er, endlich mit vier Takten aus einem österreichischen Rotax-Motor, kein Ölabfackeln mehr, 27 PS stark, also „Eisteigermodell“ für den Stufenführerschein. Gut 7.000 DM. Steht ab Juni im Laden. Außerdem gibt es jetzt für die Stinke-Zweitakter einen Katalysator (ca. 300 DM), mit dem man besseren Gewissens Wölkchen ins Land pusten kann.

Zumindest das Werk im Osten, wo schon die guten alten DKW- Motorräder gebaut wurden, scheint gerettet, die Privatisierung zu klappen: Cagiva, ein italienischer Motorradhersteller, und ein türkischer Großabnehmer sind sich offenbar mit der Treuhand handelseinig. Nach zwei Monaten Kurzarbeit und „Schrumpfung“ der Belegschaft von 2.500 auf 800 erhofft man sich eine Sanierung des 83-jährigen Traditionsbetriebes.

Bus