Eine Reise in die Erinnerung

■ Über 100 jüdische Zwangsarbeiterinnen wieder in Bremen

Am vorletzten Tag ihres Bremen- Besuchs wurden die über 100 ehemaligen Zwangsarbeiterinnen des Stuhrer Lagers Obernheide noch einmal von der Geschichte eingeholt: 42 von ihnen mußten gestern abend vom „Hotel Arkade“ in die jüdische Gemeinde evakuiert werden, als Sprengmeister Harry Warrelmann unter der Stephaniebrücke an die Entschärfung einer Bombe aus dem zweiten Weltkrieg ging. „Das ist für uns so symbolisch“, sagte gestern Lily Maor, eine der vom Senat eingeladenen ehemaligen Zwangsarbeiterinnen. Sie hat die „tragikomische Geschichte“ gleich zur Veröffentlichung an ein israelisches Radio weitergegben, „die Bombe ist ja runtergefallen, als wir alle hier waren und in den brennenden Bremer Straßen Trümmer wegräumen mußten“.

Rund 350 der 800 jungen Jüdinnen, die 1944 auf Anforderung des Bremer Senats aus dem Ghetto in Lodz und aus Auschwitz zur Zwangsarbeit nach Bremen verschleppt worden waren, konnte Lily Maor in enger Zusammenarbeit mit dem Bremer Senat ausfindig machen und zum Bremen-Besuch einladen. „Die Hälfte von ihnen war aber nicht mehr bereit, nach Deutschland zu fahren“, berichtete Lily Maor gestern. Doch für gut 100 Frauen, die trotz der vom Golfkrieg stark behinderten Vorbereitungen schließlich am vergangenen Sonntag in Bremen eintrafen, „war es eine sehr positive Sache“.

Die meisten der Frauen waren zum ersten Mal wieder in Deutschland. Und viele haben sich auch untereinander zum ersten Mal seit ihrer Befreiung aus dem KZ Bergen-Belsen wiedergesehen. Dorthin waren die Zwangsarbeiterinnen nach der Zerstörung des Lagers Obernheide noch kurz vor Kriegsende gebracht worden. „Am 15. April 1945 sind wir alle zusammen ein zweites Mal geboren“, sagte Lily Maor. Und Hannah Cohen erinnerte sich, wie sie an diesem Tag ins Krematorium ging und dachte: „Jetzt könnten wir auch sterben, denn jetzt sind wir frei.“

Obwohl die Besucherinnen eine Woche lang fast täglich einen anderen Ort ihrer Verfolgung aufsuchten, „sind wir doch in Bremen zu Hause“, faßte Lily Moar gestern ihr Gefühl zusammen. Und Hannah Cohen: „Es war ein großes Erlebnis, jetzt in diese Stadt, in der ich ein Sklave war, als freie Jüdin aus Israel zurückzukehren.“ Bremen sei eben einfach „ein Teil meines Lebens“. Und der Sinn der Reise war „kein Tourismus, sondern Erinnerung“, sagte Lily Maor.

Mindestens zwei der „Frauen von Oberheide“ haben jedoch statt der Teilnahme am Bremen- Besuch eine Klage auf Entschädigung für ihre fast einjährige Zwangsarbeit gegen die Bundesregierung gestellt. Darüber soll im Sommer vor dem Bremer Landgericht verhandelt werden. Ase