Stückgutverkehr gestoppt

■ 370 Tonnen Waren nicht entladen/ Bundesbahn nimmt nichts mehr an

Friedrichshain. Heilloses Durcheinander auf dem Boden der 320 Meter langen Halle am Ostgüterbahnhof: Überall türmen sich aufgestapelte Pakete zu Bergen. Auf den Gleisen am Hauptbahnhof stauen sich inzwischen 100 Güterwagen, die Waren im Gewicht von 370 Tonnen geladen haben, aber von der Reichsbahn nicht entladen werden. Die Bundesbahn hat deshalb erstmals seit 1948 einen Teil des Güterverkehrs nach Berlin eingestellt und nimmt bis Ende April in den Altbundesländern außer Post und Autos keine Sendungen mehr an.

Roland Scapinski, Schichtleiter am Ostgüterbahnhof, bleibt dennoch gelassen. Daß nichts mehr geht, liege an den Spediteuren, sagt der 35jährige: »Die fahren nicht ab.« Vor der Wende, erklärt Lademeister Rüdiger Werske, seien drei Viertel einer Waggonladung für einen Großkunden gewesen, heute enthalte ein Güterwagen Mini-Sendungen zum Teil für über 200 Kunden — die Zustellung sei für die Spediteure unmöglich zu schaffen. Außerdem seien den Wagons häufig falsche Frachtbriefe beigelegt, behauptet Scapinski. Die etwa 150 im Stückgutgeschäft Beschäftigten der Reichsbahn könnten dennoch den auf 1,3 Kilometer angewachsenen Güterzug sofort entladen, wenn denn die bereits ausgeladene Ware abgeholt werden würde.

Vor der Wende im November 1989 kamen an der Warschauer Straße 30 bis 40 Wagons täglich an, Anfang des Jahres waren es nur noch zehn. Da die Reichsbahn seit März allmählich den Güterverkehr aus dem Westeil übernimmt, endet die Reise für die Waggons aus den Altbundesländern nicht mehr auf den Stückgutbahnhöfen Moabit und Anhalter Bahnhof, sondern auf dem Ostgüterbahnhof. Dadurch rollen auf den dortigen Reichsbahn-Gleisen wieder bis zu 30 Wagen täglich. Reinhard Sauer von der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands kritisierte gestern gegenüber der taz, daß »die Herren in den Verwaltungen von Bundesbahn und Reichsbahn versäumt haben, für die Verlegung die Voraussetzungen zu schaffen«. Durch die Annahmesperre könnten weitere Bahnkunden ihre Transporte auf die Straße verlagern, befürchtet der Gewerkschafter.

Von einem Kleinkrieg zwischen Deutscher Bundes- und Reichsbahn könne aber nicht die Rede sein, wehrte Ulrich Keusch, Sprecher der Berliner Bundesbahn, ab. Die Zusammenarbeit zwischen beiden Bahnen sei gut. Bundesbahnmitarbeiter würden bei der Entladung des Güterzuges helfen. Dirk Wildt/thok

Siehe auch Bericht auf Seite 6