Pfifferlinge beim Ausstiegsszenario

■ Atomminister wider Willen wollen Ausstieg über Entsorgung/ Gorleben doch als „Grabstättenbau“?

Bonn (taz) — Die seit Jahren ungelöste Entsorgungsfrage soll der Schlüssel sein, um aus der lebensbedrohenden Atomenergie auszusteigen. Jedenfalls nach den Wünschen der UmweltministerInnen Monika Griefahn (Niedersachsen), Joschka Fischer (Hessen) und Günther Jansen (Schleswig-Holstein). Sie stellten gestern in Bonn drei umfangreiche Gutachten zur Entsorgung des strahlenden AKW-Unrats vor. Darin wird, so Fischer, die gesicherte Entsorgung als „größte Lüge des Atomgesetzes endgültig entlarvt“.

Seit hierzulande Atome gespalten werden, weiß niemand wohin mit dem schier ewig strahlenden Müllerbe. Heute verfrachtet die Atomindustrie den giftigen Müll zur Wiederaufarbeitung nach Sellafield und La Hague. Doch diese Wiederaufarbeitung sei nicht die schadlose Verwertung, die Paragraph 9a des Atomgesetzes fordere. Für Sellafield zum Beispiel liegen neue, wissenschaftlich fundierte Daten vor: Deutsche Grenzwerte werden bei bestimmten Radionukleiden um bis zum 55fachen überschritten, und was die Briten kühl an „schwach“ aktiven Stoffen in die Irische See pumpen, liegt bis zum Tausendfachen über dem hier erlaubten.

Deutsche Grenzwerte dürften aber nicht auf dem Umweg übers Ausland unterlaufen werden, meinen die Minister. Jansen kündigte deshalb sogleich Konsequenzen an: Die Genehmigungen der drei AKWs in Schleswig-Holstein sollen auf der Grundlage der Gutachten neu geprüft werden. Die drei „Atomminister“, wie sie sich ironisch nennen, wollen mit dem neuen Material ihren Landes-AKWs jedoch nicht unmittelbar ans Leder. Die neuen Pläne sollen es vielmehr Bundesminister Töpfer schwer machen, so Fischer, „nun weiter mit dem Weisungshammer zu drohen“, wenn die Länder seine Pro-Atom-Linie nicht mittragen. Und wenn er es doch versuchte, seien da noch die neuen Mehrheiten im Bundesrat.

Ein Konsens für den geordneten Ausstieg gilt den dreien als Ziel. Das Atomgesetz solle zu einem Atomausstiegsgesetz umnovelliert werden. Wenn nötig, so Monika Griefahn, könne dann auch die Nutzung von Gorleben akzeptiert werden, aber nur noch „als Grabstättenbau“ für das bereits vorhandene Strahlenerbe der Vergangenheit.

Ins Endlager gehört auch das Mittagsmahl, das während der gestrigen Ausstiegspräsentation, ausgerecht am Jahrestag von Tschernobyl der Presse verfüttert wurde: Pfifferlinge an Becquerelsahnecurry. Bernd Müllender