Kultur von der Rolle

■ Der 18. Wettbewerb der Fernsehregionalprogramme in Bremen: Wieder aus dem Blechnapf gefressen

'Bitte die Kuchenstückchen abgezählt bereithalten' - das war wohl Kantinenlosung im Swutsch-Studio von Radio Bremen, was nicht einmal so schlimm gewesen wäre, wenn sich nicht die Mägen noch vom Mittagessen in knurrender Krümmung befunden hätten: Es muß sich wahrhaftig um einen bitterarmen Sender handeln, der all den Journalisten, die nun seit Jahren zu Preisvergabe und Werkstattgespräch der Fernsehregionalprogramme nach Bremen reisen, das ewiggleiche Mittagssüppchen vorsetzt: in kulinarischem Niveau und Nährwert angesiedelt irgendwo zwischen Jugendherbergs-Resteverwertung und Sonntagsschmaus im Offenen Strafvollzug.

Wer einmal aus dem Blechnapf fraß, der hat begriffen, wie schlecht es ums Ansehen von Regionaljournalismus bestellt sein muß. Oder soll dieses Essen die gerechte Strafe sein dafür, daß es auch mit der journalistischen Qualität des Regionalfernsehens nicht aufwärts gehen will?

Es ist in jedem Jahr dasselbe: Die preisgekrönten Beiträge, die man zu sehen kriegt, sind immer auch die einzigen, die guten Gewissens gepriesen werden konnten: „Danach kommt lange nichts, und dann fängt Durchschnitt an“, sagte ein Jury-Mitglied in der Diskussion. In diesem Jahr konnten sich die etwa 40-50 Werkstatt-Gesprächsteilnehmer selbst davon überzeugen: Die Einsendungen in der Kategorie „Kultur“ — zum ersten Mal im Wettbewerb ausgelobt — wurden komplett als „Kultur-Rolle“ vorgestellt, zum hellen Entsetzen der Regional-Journalisten, die sich für die Zukunft eine solche „Quälerei“ verbaten.

Obwohl man an der „Kultur- Rolle“ auch sehen konnte, mit welcher Gleichgültigkeit die zuständigen Redaktionen Beiträge für den Wettbewerb auswählen.

Drei Preis-Kategorien gab es in diesem Jahr: „Die schnelle Aktualität“, „Kultur“ und — für ein komplettes Magazin — „Die Sendung“. Zu wenig und zu unspezifisch, fanden die Teilnehmer, die vor allem den „investigativen Journalismus“ von ernsthaften Beiträgen zur Landespolitik vermißten, die recherchierend-aufklärende Journalistenarbeit also.

Und auffallend war in der Tat, daß alle preisgekrönten Beiträge sich auszeichneten durch Ironie, durch spielerischen Witz, daß sie satirisch bis zum Tränenlachen waren — wie Christoph Maria Fröhders „Katastrophenschutzübung 'Greifvogel–“ — , und daß sie in Tempo, Schnitt und technischem Niveau an intelligent-unterhaltsame Werbeclips erinnerten: ein Trend zur Anpassung ans Amüsement-Umfeld im Vorabendprogramm.

Zum ersten Mal auch wurde in diesem Jahr ein „Werkstattpreis“ verliehen: Aus dem „Kultur-Geröll“ konnten die Teilnehmer einen Preisträger bestimmen, und sie entschieden sich als wohlerzogene Gäste für einen buten & binnen-Beitrag von Martina Theis zum 100. Geburtstag von Tucholsky.

Nicht Geld, doch Gut bekam die Autorin als Preis verliehen: die Zeichnung eines Bremer Karikaturisten, der mit dem überregional bekannten gleichnamigen Til Mette identisch ist. Gerd Widmer von Radio Bremen freilich blickte in seiner freudigen Erregung schon in die Zukunft der Karriere von Til Mette: „Er zeichnet statt Papan die letzte Seite der Zeit “, erklärte er den Journalisten.

Und das wird so gewiß eintreten, wie jenes berühmte Sprichwort wahr ist: Kommt Zeit, kommt Til. Sybille Simon-Zülch