Hassemers Wende in CDU-Verkehrspolitik

■ Umweltsenator: Fahren in der Innenstadt muß teuer werden/ Zwischen Spree und Landwehrkanal soll Nord-Süd-Tunnel keine Ausfahrten haben

Tiergarten. Erstmals macht ein CDU-Senator Front gegen die Auto- Lobby — und damit auch gegen seine eigene Partei. Weder das Parken noch das Autofahren in der Innenstadt dürfe kostenlos bleiben, erklärte Umweltsenator Volker Hassemer auf einer verkehrspolitischen Tagung der CDU-nahen Hermann- Ehlers-Stiftung am Samstag. »Mich wundert es«, sagte der Senator, »daß das Wohnen und Einkaufen im Zentrum immer teurer wird, daß mir aber für das Parken nicht mehr Geld und für das Fahren gar nichts abverlangt wird.« Hassemer wurde auch konkret: Um den Autoverkehr aus der Innenstadt herauszuhalten, müsse der diskutierte Nord-Süd-Autotunnel ohne Ausfahrten zwischen Spree und Landwehrkanal gebaut werden. Für die Benutzung des Tunnels will Hassemer eine Gebühr erheben.

Mit seinem Vorstoß grenzte sich der Umweltsenator indirekt aber deutlich von seinem Parteifreund und Verkehrssenator Herwig Haase ab. Haase hatte seit seinem Amtsantritt im Januar immer wieder betont, Autofahrer dürften nicht »repressiv« behandelt werden. Ein verbessertes Angebot im öffentlichen Nahverkehr müsse genügen, um PS-Fans »freiwillig« zum Umsteigen zu bewegen, der Bau von Parkhäusern und Straßen solle die Innenstadt entlasten. Hassemer erklärte gestern dagegen, daß er beim Bau von Parkhäusern in der Innenstadt zögern würde. Alle Möglichkeiten der rationalen Beeinflussung des Verkehrs müßten genutzt werden, da sich die Zahl der Autos bis ins Jahr 2010 in Berlin verdoppeln werde. Er wolle das Autofahren aber nicht verleiden. »Auch Leute, die hohe Mieten in der Innenstadt nehmen, wollen das Wohnen nicht verleiden«, erläuterte der CDU-Politiker. Daß dort der Preis durch die Nachfrage steige, sei rational — im Verkehr müsse man Konsequenzen ziehen, die an anderen Stellen längst gezogen seien.

Weil Berlin polyzentrisch aufgebaut sei, könne man Modelle aus Freiburg oder Stockholm nicht einfach übernehmen, warnte der Umweltsenator. Bei der Gebührenerhebung müsse man verschiedene Aspekte beachten: Wo wird gefahren, wer fährt, wie nötig ist die Fahrt, und welche alternativen Verkehrsmöglichkeiten stehen zur Verfügung. Dieses System müsse äußerst unbürokratisch, aber treffsicher sein und jeden zu der Überlegung anregen, ob es wirklich nötig ist, mit dem Auto in die Innenstadt zu fahren. Die S-Bahn müsse dringend ausgebaut werden, es mache aber auch Sinn, den halb fertiggestellten Straßenring rund um die Stadtmitte zu schließen.

Hassemers Vorstellungen blieben in der konservativen Tagungsrunde unwidersprochen. Weder die Vertreter des ADAC noch der Geschäftsführer der Berliner Flughafen GmbH noch der Verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, die alle ebenfalls an der Veranstaltung in der Kurfürstenstraße teilgenommen hatten, übten an den Vorstellungen des Senators Kritik, obwohl Hassemer ausdrücklich nachfragte: »Wenn ich einen Gedankenfehler mache, dann soll das jemand sagen — sonst könnte ich noch glauben, ich habe recht.« Dirk Wildt