Neue Polizeistrategie: »Sprache als Einsatzmittel«

■ Polizei zum 1. Mai: »Gewaltminderndes Einschreiten«/ Ost-Besetzerrat gegen Randale

Berlin. Die Polizei versucht es in diesem Jahr mit Zweckoptimismus. Noch am 1. Mai wird sie die Meldung von »friedlichen Mai-Demos« verbreiten. Mit dreitausend Handzetteln und fingierten Positiv-Nachrichten wollen die Beamten die Teilnehmer der »revolutionären 1.Mai-Demo« zur Friedfertigkeit motivieren. Auch aus den Einsatzleitlinien der Polizei spricht der Versuch, mit deeskalierendem Verhalten Krawall und damit auch Negativ-Schlagzeilen für die Bundeshauptstadt zu vermeiden.

»Differenziertes und dem Anlaß angemessenes Einschreiten« wird den Polizisten in den — der taz vorliegenden — Leitlinien empfohlen. Die »Sprache als Einsatzmittel« sei »in den Vordergrund polizeilichen Handelns zu stellen«. Ein »gewaltminderndes Einschreiten« soll die »Ansätze für ein gewaltfreies Miteinander« zwischen Demonstranten und Polizisten »fördern«.

Befürchtungen verbindet die Polizeiführung offensichtlich mit dem — allerdings begrenzten — Einsatz von ehemaligen Volkspolizisten. Von »Teilen der Bevölkerung« werde sie »noch mit einem negativen Vorzeichen gesehen«. Deshalb sollten die Beamten auf »Provokationen jeglicher Art« mit »Gelassenheit« reagieren.

Die Veranstalter der »revolutionären 1.Mai-Demonstration«, die dieses Jahr in einigen Flugblättern auch als »vorrevolutionäre Demo« firmiert, sind selbst keineswegs geschlossen auf Randale-Kurs. So wandte sich der Friedrichshainer Besetzerrat einstimmig gegen einen Verlauf der Demo durch »ihren« Kiez. Da sie sich damit nicht durchsetzen konnten, baten BewohnerInnen der rund 25 besetzten Häuser darum, eine »offensive militante Auseinandersetzung« in Friedrichshain zu vermeiden. Für die eingesessenen Kiezbewohner wirke dies nämlich nach der Schlacht um die Mainzer Straße im Oktober eher »abschreckend«.

Treffpunkt zur Demo, die die Mainzer Straße aussparen wird, soll um 13 Uhr der Oranienplatz in Kreuzberg sein, die Abschlußkundgebung ist an der Ecke Bänschstraße/Proskauer Straße in Friedrichshain geplant. Noch im letzten Jahr hatte die Szene der deutschen Teilung mit zwei Demo- Zügen in beiden Stadthälften Rechnung getragen. Am Mittwoch wird nur mit zwei gleichzeitig stattfindenden Straßenfesten dem fortdauernden ost-westlichen Unterschied Tribut gezollt. Gefeiert wird ab 15 Uhr am Lausitzer Platz in Kreuzberg und am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg.

Die Demo soll laut Flugblatt ein »lebendiges, undeutsches, antipatriarchales, internationales, antifaschistisches, antikapitalistisches Zeichen setzen«. Unter anderem wenden sich die Veranstalter gegen die Olympischen Spiele und die Verlegung des Regierungssitzes nach Berlin.

Früh aufstehen müssen wie in jedem Jahr die Teilnehmer der DGB- Demonstration. Abmarsch ist an vier verschiedenen Punkten um neun Uhr, die Schlußkundgebung vor dem Reichstag beginnt um elf Uhr. Die Veranstalter rechnen mit 60.000 Teilnehmern. hmt/maz