Statt Klarstellung Legendenbildung

■ Betr.: "Wie der Mossad den Grünen eins auswischte", taz vom 24.4.91

betr.: „Wie der Mossad den Grünen eins auswischte“ von Klaus Bittermann, (zu dem Interview Henryk M.Broder mit Christian Ströbele), taz vom 24.4.91

Wer sich mit Bombendrohungen und Slogans wie „Die Grünen sind die Nazis von heute“ konfrontiert sieht, darf sich schon fragen, wodurch solche Reaktionen ausgelöst wurden. Vor allem, wenn er sich in seiner Zeit als Abgeordneter im Bundestag für die „Wiedergutmachungs“zahlungen an alle Opfer des Nazismus einsetzte und einer Partei angehört, die als einzige nicht nur gegen Waffenexporte und -produktion, sondern auch gegen den Einsatz deutscher Soldaten in der ganzen Welt eintritt.

Wer also mit einem solchen persönlichen und organisatorischen Hintergrund die Frage nach den langfristigen Ursachen des verbrecherischen Raketenbeschusses auf Israel fragt und in Israel nicht nur mit „Sonntagsreden“ von Solidarität spricht und Opportunismus meint, darf schon erwarten, daß aus einem einstündigen vertrauensvollen Gespräch mehr als nur verschleiernde „Schlagzeilen“ herauskommen.

Wo wird in der Broder-„News- Story“ der 'Jerusalem Post‘ von der Kritik an der israelischen Regierung gesprochen? Die arbeitet nämlich bis heute nicht auf einen Friedensprozeß hin, sondern sät durch Annexionen und durch die täglich zu Todesopfern führende Okkupation ständig neuen Haß unter den PalästinenserInnen; Haß, der als Ausdruck von Verzweiflung leider jede Antwort (einschließlich der verbrecherischen Raketenangriffe) begrüßt, Haß, der von Saddam Hussein für eigene Interessen instrumentalisiert werden kann.

Warum ist dieser Zusammenhang auch heute noch, wie Klaus Bittermanns Essay(?) vorführt, nicht verstanden? Was die israelische Friedensbewegung in der Formel „Land für Frieden“ schon längst propagiert und von einem immer größeren Anteil der israelischen Bevölkerung als erfolgreicherer Weg zu mehr Sicherheit erkannt wird als die Formel „Immer mehr Waffen“, ist offenbar undenkbar, wenn nicht gleich antisemitisch für Herrn Broder und Herrn Bittermann.

Was hat uns Klaus Bittermann aber statt dessen zu sagen? Daß Ströbele erst, als er zurück in Bonn war, zurücktrat etwa? Dies ist schon als Fakt falsch, denn Ströbele trat schon in Israel zurück. Daß Ströbele Waffen gegen die Diktatur und für die Befreiungsbewegung in El Salvador sammelte, sich aber gegen ein neues Wettrüsten und für einen Friedensprozeß im Nahen Osten ausspricht. (Ist Israel eine Befreiungsbewegung gegen die PalästinenserInnen?) Daß Ströbele versäumt habe, seinen Standpunkt klarzumachen. Obwohl Ströbele als Sprecher des Bundesvorstandes einen offiziellen Brief an die israelische Friedensbewegung mit einer ausführlichen Positionsbestimmung verfaßte (12.2.91). Daß Ströbele die „News-Story“ Broders verurteilt und die ausführlicheren deutschsprachigen Interviews akzeptierte, damit kam Bittermann auch nicht ganz klar. [...] Statt Klarstellungen wird an der Legendenbildung der Unmöglichkeit einer Verständigung zwischen Grünen und Israelis weitergebaut.

Sicher ist es sehr wirkungsvoll, immer wieder mit Irrationalismen rationale Kritik mundtot zu machen sowie mit Ängsten Sicherheit durch militärische Aufrüstung zu suggerieren; doch sollten sich die Apologeten der Aufrüstung dann nicht wundern, wenn die arabischen Regierungen sich gleichfalls zum nächsten militärischen Schlagabtausch rüsten können. Die Propagierer des Wettrüstens müßten dann aber auch ihre Verantwortlichkeit für die Taten des nächsten, sich zum panarabischen Führer erklärenden Diktators auf sich nehmen. Dies zumindest, wenn sie schon nicht erkannt haben, daß Verantwortung für die nazistischen Verbrechen zu übernehmen nur bedeuten kann, sich für die Universalität der Menschenrechte einzusetzen. Dieter Heger, (Ost-)Berlin

Herr Bittermann wendet viel Mühe, Schweiß, Zeit und Text auf, um Ströbele eins auszuwischen. Seine zentrale These in verschiedenen Variationen: Sage, was Du meinst, sonst meine ich, was Du sagst.

Prima. Gilt aber für alle, nicht wahr? Auch für Herrn Bittermann, der leider, leider im Übereifer folgendes zu Papier bringt:

„Broder kündigt in diesem Schreiben rechtliche Schritte an, falls Ströbele weiterhin bestreitet, daß das Interview nicht das wiedergibt, was er tatsächlich gesagt hat.“ Deutscher Sprack — schwerer SpracK, woll?

Richard Kelber, Dortmund

Vielleicht ist ja auch Klaus Bittermann ein Agent des Mossad? Andreas Flessa, München