Ein Runder Tisch soll den Nordirland-Konflikt lösen

Bei den heute beginnenden Verhandlungen ist das Scheitern vorprogrammiert/ Sinn Fein bleibt ausgeschlossen/ Bringt die EG 1992 die irische Einheit?  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Heute beginnen in Belfast die Verhandlungen um die Zukunft Nordirlands. Die Initiative des britischen Nordirland-Ministers Peter Brooke sieht drei Phasen vor: Zunächst werden die nordirischen Parteien — die katholische Social Democratic and Labour Party (SDLP), die Ulster Unionist Party (UUP), die Democratic Unionist Party (DUP) und die moderate, unionistische Alliance Party — unter sich verhandeln. In der zweiten Phase, in der es um die Beziehungen zwischen Nord- und Südirland geht, soll die Dubliner Regierung hinzugezogen werden. Zu guter Letzt werden dann alle gemeinsam über das Verhältnis zwischen London und Dublin in bezug auf Nordirland sprechen. All dies soll innerhalb von zehn Wochen über die Bühne gehen. Brookes erfolgreiche Bemühungen, die verschiedenen Parteien nach 15monatigem Gerangel hinter den Kulissen überhaupt an den Verhandlungstisch zu bringen, wurde von den Medien bereits als Durchbruch gefeiert. Doch eine dauerhafte Lösung am Ende der Gespräche ist nicht in Sicht. DUP und UUP geht es vor allem darum, das britisch-irische Abkommen aus dem Jahr 1985 endgültig zu begraben. Dieses unter Einbeziehung der katholischen SDLP zustande gekommene Abkommen war von Anfang an auf heftigen Widerstand der Protestanten gestoßen, weil es Dublin eine „beratende Rolle in nordirischen Angelegenheiten“ einräumte. Während die bisherigen britischen Regierungen stets dem unionistischen Druck nachgegeben hatten, hielt Margaret Thatcher jedoch an dem Abkommen fest. In der Praxis hat es sich freilich längst als Rohrkrepierer erwiesen und keineswegs zu Verbesserungen für die katholische Minderheit beigetragen.

Die SDLP kann jedoch keinem neuen Abkommen zustimmen, das die Rolle Dublins weiter schmälert. Schließlich hatte die Partei ihren WählerInnen das Abkommen von 1985 als „bedeutenden Erfolg für Nordirlands Katholiken“ verkauft. Die SDLP will erreichen, daß London weite Teile der Regierungsgewalt auf ein nordirisches Parlament überträgt. Darin stimmen ihr die Unionisten zu — unter Beibehaltung der Union mit Großbritannien. Bei der Frage, inwieweit die SDLP an dieser Regierung beteiligt werden soll, gehen die Meinungen jedoch auseinander. Die von der SDLP geforderte volle Machtbeteiligung könnte sich für die Partei dabei als Eigentor entpuppen: Sie wäre dann nämlich auch mitverantwortlich für die zu 95 Prozent protestantische Polizei und ihr aggressives Auftreten in katholischen Vierteln. Das würde selbst bei den moderaten SDLP- WählerInnen auf wenig Verständnis stoßen und die Position Sinn Feins stärken.

Sinn Fein („Wir selbst“), der politische Flügel der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), ist von den Gesprächen ausgeschlossen, obwohl die Partei bei Wahlen konstant circa elf Prozent der Stimmen gewinnt. Der britische Nordirland-Minister Brooke hatte die Vorbedingung gestellt, daß sich die Partei endgültig von der Gewalt lossagen müsse. Sinn Fein entgegnete jedoch, das könne erst geschehen, wenn die britische Regierung sich zum Abzug ihrer Truppen aus Nordirland bereit erkläre. Sinn-Fein-Präsident Gerry Adams sagte, die heute beginnenden Verhandlungen seien lediglich eine kosmetische Übung, da nach einer Lösung gesucht werde, ohne das Problem anzusprechen — die Teilung der Insel.

Die Teilung ist für die Unionisten jedoch kein Verhandlungsthema — im Gegenteil. Die UUP gab vor zwei Wochen bekannt, daß sie den Anspruch Dublins auf Nordirland als Verstoß gegen internationales Recht betrachte. Dieser Anspruch ist in der irischen Verfassung festgeschrieben. Dublin setzt dafür vor allem auf 1992. Dann, so hoffen die Politiker, werden sich die wirtschaftlichen Interessen beider Landesteile weiter annähern, und die gesamte Insel könnte von der Europäischen Gemeinschaft als Einheit behandelt werden. Dann käme die irische Vereinigung praktisch wie von selbst.

Ob die Unionisten oder die paramilitärischen protestantischen Verbände dabei mitspielen werden, ist unwahrscheinlich. Die Loyalisten- Kommandos haben erklärt, für die Dauer der Verhandlungen ihre Mordkampagne gegen KatholikInnen, die seit einem Jahr auf Hochtouren läuft, ruhenzulassen. Im Gegenzug gab die IRA bekannt, im selben Zeitraum auf die Erschießung von Loyalisten zu verzichten. Da das Scheitern der Verhandlungen jedoch vorprogrammiert ist, wird spätestens Mitte Juli wohl wieder alles beim alten sein.