„Recht auf Akteneinsicht“

■ Der Sonderbeauftragte Gauck warnte bei der Vorstellung seines Buches vor Verdrängung und Verklärung der Stasi-Vergangenheit/ Weitergabe von Stasi-Daten in Ostblockländer bestätigt

Berlin (taz) — Es geschieht nicht oft, daß ein Behördenleiter zur Feder greift und — noch bevor er die Pensionsgrenze überschritten hat — seine Beweggründe und Erfahrungen zu Papier bringt. Joachim Gauck, Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Stasi-Akten, stellte gestern in Berlin sein Buch Die Stasi-Akten — das unheimliche Erbe der DDR vor. Der 41jährige Chef der Akten-Behörde will das Taschenbuch — ein Ergebnis zahlreicher Interviews mit zwei Mitarbeitern des Verlags — als seinen Beitrag zur schwierigen Diskussion um den weiteren Umgang mit der Stasi-Hinterlassenschaft verstanden wissen, als Versuch, auch Laien (insbesondere in der alten BRD) ein Stückchen Sensibilität für die besondere Betroffenheit der ehemaligen DDR-Bürger zu vermitteln.

Gauck warnte ebenso eindringlich vor einer „Verklärung“ der Stasi-Vergangenheit und vor der Verdrängung der „Entfremdungsvorgänge des korruptem Systems“ in der alten DDR. Die Hinterlassenschaft, auf nahezu einer Milliarde Blatt Papier archiviert, wirke wie eine fortwährende Krankheit weiter. Deren Aufarbeitung sei „kein rachsüchtiges Unterfangen, sondern ein Gesundmachen durch Erinnern“. Gauck begrüßte die parteiübergreifende Einigung der Bundestagsfraktion über die Eckwerte für ein künftiges Stasi-Unterlagen-Gesetz, das den Stasi-Opfern ein weitreichendes Einsichtsrecht in ihre Akten einräumen soll. Es sei immerhin das „unveräußerliche Recht“ eines jeden zu wissen, wer was illegal über ihn gespeichert hat.

Gauck bestätigte gestern morgen auch den Transfer von Millionen von Stasi-Daten in die Länder des früheren Ostblocks. Wie gestern bekannt wurde, speiste der Staatssicherheitsdienst seit 1979 Angaben über vermeintliche Klassenfeinde in einen Datenverbund zur „vereinigten Erfassung von Informationen über den Gegner“. Die dort abgespeicherten Daten sind nach Gaucks Worten aber „weniger gefährlich“ als die in der Bundesrepublik gelagerten Daten.

Einen Seitenhieb setzte Gauck auch in Richtung der Bonner CDU. Im Kontext der Vorwürfe, der CDU-Parteivize de Maizière sei früher „Inoffizieller Mitarbeiter“ (IM) des Stasi gewesen, könne bei einer genauen Betrachtung der Aussagen von Bundesinnenminister Schäuble „von Entlastung keine Rede sein“. Er könne zwar die parteitaktischen Motive nachvollziehen, die zu einem Festhalten an de Maizière führten — ob dies aber im Hinblick auf die Befindlichkeit der BürgerInnen in den fünf neuen Bundesländern „Sinn macht“, darüber müsse sich die Öffentlichkeit „ein eigenes Bild machen“. Wolfgang Gast